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Film

Willkommen zurück in Twin Peaks

Sertan Sanderson nf
22. Mai 2017

Mehr als 25 Jahre ist es nun schon her, dass die Zuschauer die Frage umtrieb: Wer hat Laura Palmer umgebracht? David Lynchs neueste "Twin Peaks"-Staffel wird garantiert neue Frage aufwerfen.

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TV-Serien Twin Peaks NEU
Bild: picture alliance/Mary Evans Picture Library

Die Kult-TV-Serie, die die Fernsehlandschaft für immer verändert hat, ist zurück. Die Erfinder von Twin Peaks, der gefeierte Regisseur David Lynch sowie Drehbuchautor Mark Frost, haben mehr als 25 Jahre gewartet, um in die - nur scheinbar - verschlafene fiktive Kleinstadt im friedlichen Nordwesten der USA zurückzukehren. An einen Ort, an dem - das kann man ohne Zweifel sagen - nichts ist, wie es scheint.

Mit der Veröffentlichung der ersten Episode der neuen Twin-Peaks-Staffel wird eine ganze Generation neuer Zuschauer in eine mysteriöse Welt eingeführt, die ihren Kultstatus über ein Vierteljahrhundert bewahren und vergrößern konnte. Aber was ist es, das Twin Peaks so besonders und einzigartig macht?

Weg vom seichten Unterhaltungs-TV

Für viele Fans hat Twin Peaks den Beginn einer neuen Ära der TV-Unterhaltung markiert. "Twin Peaks hat das Fernsehen, wie wir es kannten, verändert. Es war smart, es war das erste Fernsehformat, das nicht meine Intelligenz beleidigte", sagt Rob Lindley, der Organisator des jährlichen Twin Peaks-Festivals. Lindley, ein Fan der ersten Stunde, glaubt, dass es die Qualität des Drehbuchs ist, die Twin Peaks so erfolgreich gemacht hat. "Die ganzen Handlungsstränge und Nebenhandlungen sind einfach unglaublich. Die Leute hatten so etwas noch nie zuvor im TV gesehen."

"Ein Ort, wundervoll und seltsam zugleich"

James Marshall als James Hurley in Twin Peaks (Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library)
Twin Peaks kombinierte nostalgische Americana-Elemente mit einem zentralen Geheimnis - bis heute packt das die FansBild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

David Lynch und Mark Frost ist es gelungen, mit "Twin Peaks" eine Nische zu füllen. Manchmal sonderbar und verrückt, im nächsten Moment dann ausgesprochen gruselig. Die Serie bot dem Betrachter eine cinematographische Welt an, gefüllt mit Verwirrung und unverkennbaren "Americana", die die Standards setzte.

"Ich glaube, die Allgemeingültigkeit dieses Kleinstadt-Settings ist eine der größten Attraktionen des Formats", erklärt Rob Lindley.

"An der Oberfläche sieht alles schön aus, aber sobald man dahinterschaut, wird klar: In Wahrheit leben hier gar keine netten Menschen." Die Serie bediene sich "Themen wie Sex, Drogen und Inzest - absolute Tabuthemen zu der Zeit", und bringe sie ins Fernsehen, ohne dabei aber jemals eines der Wörter zu erwähnen, so Lindley.

Verletzliche Charaktere im Prime-Time-TV

Für Jürgen Müller, Kunsthistoriker an der Technischen Universität Dresden und Experte für TV-Serien, war Twin Peaks das erste TV-Format, das direkt und ohne Umwege die dunkle Seite der menschlichen Natur adressiert habe: "Die Hauptfiguren sind nicht länger alle gut oder alle böse - ihre Persönlichkeiten nehmen viel komplexere Dimensionen an."

"Die Leute können eine Beziehung mit den Charakteren eingehen, sich in ihnen wiederfinden", ergänzt Rob Lindley. Selbst - oder gerade - mit Laura Palmer funktioniere das (sie ist in Twin Peaks die ganze Zeit tot, Anm. d. Red.): "Ein junges Mädchen, das seine Identität finden will, das mit der eigenen Sexualität kämpft, das die Welt verstehen und seinen Platz darin finden will, mit allem Guten wie Bösen darin."

Madchen Amick und Peggy Liptin in der Serie Twin Peaks (Foto: picture alliance/AP Photo/S. Tenner)
Bekannte Gesichter: Nur wenig wurde im Vorfeld des neuen Staffelstarts publik - doch werden viele gewohnte Gesichter zu sehen seinBild: picture alliance/AP Photo/S. Tenner

Schwarze Hütten und andere okkulte Referenzen

Twin Peaks illustrierte nicht nur ein weites Spektrum von Aspekten der menschlichen Natur in brutal ehrlicher und expliziter Art und Weise. Auch sein Soundtrack betonte die multidimensionale und oft tiefschwarze Welt, die in der Serie erschaffen wird. Angelo Badalamentis Werk - trügerisch märchenhaft und schlicht zugleich - trug wesentlich zum Erfolg von Twin Peaks bei.

Mit seiner Geschichte, seiner visuellen Umsetzung und seiner Musik erschuf Twin Peaks eine Blaupause, der später viele Formate folgten und die sie kopierten. "Mit Twin Peaks fing alles an", sagt Jürgen Müller und meint vor allem die okkulten und übernatürlichen Elemente: "Wir hatten vorher im Fernsehen noch nie gesehen, wie Zwerge in roten Räumen tanzen und Dämonen harmlose Charaktere heimsuchen."

Kritiker werfen der Serie vor, sie würde genau an dieser Stelle entgleisen und den Fokus verlieren - mit zu viel freier Assoziation des Regisseurs. Diese Diskussion führte 1991, am Ende ihrer zweiten Staffel, zur unerwarteten Absetzung der Serie.

"In 25 Jahren sehe ich euch wieder"

Die Fans sehnten die Fortsetzung umso mehr herbei. Im Kinofilm "Twin Peaks - Fire Walk With Me" versuchte David Lynch, einige der in der Serie lose und offen zurückgelassenen Handlungsstränge ein wenig aufzuräumen. Schade nur, dass die Fans hinterher eher noch mehr Fragezeichen in den Augen hatten.

Wegen des Ärgers mit den TV-Verantwortlichen im Zusammenhang mit dem Absetzen der Serie hatte David Lynch die Idee, das TV-Format fortzusetzen, ausgeschlossen. Stattdessen entschied er sich dafür, die Fans mit einem der schauerlichsten Cliffhanger der TV-Geschichte zurückzulassen.

"Zuerst war ich geschockt, als ich hörte, dass Twin Peaks zurückkommt. Dann fühlte ich Freude. Und dann waren es Tränen der Freude", erinnert sich Rob Lindley.

Noch eine TV-Revolution?

Filmemacher David Lynch (Foto: picture-alliance/dpa/K. Huesca)
David Lynch hatte gedroht, vom Twin-Peaks-Relaunch wieder abzulassen, sollte er nicht die vollständige kreative Freiheit habenBild: picture-alliance/dpa/K. Huesca

Ganz nach seiner Art sorgte Lynch dafür, dass Details zum Inhalt der dritten Staffel unbekannt blieben. Nicht einmal die Schauspieler bekamen je ein Skript der gesamten Staffel zu lesen, sondern nur kleine Ausschnitte. Hauptdarsteller Kyle MacLachlan, der den Kaffee-Fetischisten und FBI-Agenten Dale Cooper spielt, ist sich trotzdem schon jetzt sicher, die neue Staffel werde "etwas, das ihr noch nie im Fernsehen gesehen habt, ich denke, noch nicht mal im Kino. Das wird die Erde erschüttern."

Rob Lindley fühlt denselben Enthusiasmus und betont, Lynch, der bei allen 18 neuen Episoden Regie führte, habe bei der Produktion noch nie dagewesene Freiheiten genossen: "Die neue Staffel ist kein vom Sender kontrolliertes Fernsehen, das David künstlerisch einschränkt. Er hat alle Freiheiten - und das wird vermutlich zu einer weiteren TV-Revolution führen", sagte Lindley der DW. "Die neue Staffel ist als 18-Stunden-Film in 18 einzelnen Installationen konzipiert. Das alleine schon ist ein komplett neues TV-Konzept."

Große Namen und bekannte Gesichter

Schon ein flüchtiger Blick auf die Darsteller-Riege offenbart, dass viele der Originalschauspieler zurückkehren. Dazu kommen neue prominente Namen wie Amanda Seyfried, Naomi Watts, Ashley Judd und Jim Belushi. Eines ist klar: Lynch will Twin Peaks damit in neue Sphären führen, in der Hoffnung, damit sowohl die alte Fanbasis als auch neue Zuschauer anzusprechen.

Geht sein Plan auf, könnten weitere neue Staffeln folgen. Wenn nicht, dann werden wir wahrscheinlich auch noch in 25 Jahren darüber diskutieren, wer denn jetzt Laura Palmer wirklich umgebracht hat.

Die neuen Episoden von Twin Peaks starten weltweit am 21. und 22. Mai 2017.