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Aus für "Land Grabbing"?

12. März 2012

Das UN-Komitee für Welternährungssicherung legt einen Entwurf gegen "land grabbing“ vor. Die Aneignung von Land durch Investoren aus dem Ausland bedroht Existenzen in den Entwicklungsländern.

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Bauern bestellen ein Feld in Afrika (Foto: DW)

Deutsche Welle: Was beinhaltet der Entwurf gegen "land grabbing"?

Olivier de Schutter: Der Entwurf beinhaltet Richtlinien, die darüber aufklären sollen, was Staaten tun sollten, um Landnutzer zu schützen. Er richtet sich an die Regierungen, die für die Besitzansprüche von Land, Fischerei und Wäldern zuständig sind. Landnutzer sind in vielen Ländern nicht als legale Besitzer des Landes anerkannt. Dies ist insbesondere in Afrika der Fall, wo das Land als Besitz des Staates verstanden wird. Und der Staat gibt dieses Land sehr oft in die Hände von Investoren. Die Landnutzer, deren Existenz von diesem Land abhängig ist, werden ohne jeglichen Schutz weggeschickt. Daher sollen die Richtlinien die Staaten darüber aufklären, was zu tun ist. Wie sie die Menschen zu Rate ziehen sollten und welche Abfindungen sie anbieten sollten, um die Auswirkungen von "land grabbing" in Afrika zu reduzieren.

Inwiefern verstößt die Aneignung von Ackerland in Entwicklungsländern - speziell in Afrika - gegen Menschenrechte?

Nun, es sind sehr arme Bevölkerungen, welche kaum politischen Einfluss haben. Sie sind nicht in der Lage, effektiv gegen das Phänomen "land grabbing" anzugehen, das im Grunde genommen ein Ergebnis von ansteigendem, weltweitem Interesse an Rohstoffquellen ist. Vor allem seit 2008/2009 sind sowohl der private Sektor und private Unternehmen, als auch die Regierungen daran interessiert, große Teile von Land zu kaufen, zu leasen und Zugang zu Grundwasser zu sichern. Beides sind knappe Güter. Und wir geraten in eine Phase wiederholter Krisen, in denen besonders die Nahrungspreise zunehmend unbeständig sind. Also bemühen sich die Akteure, ihre nationalen Ressourcen zu sichern, indem sie Land kaufen, von welchem ländliche Gemeinschaften meist abhängig sind. Menschenrechte wie das Recht auf Nahrung, das Recht auf Wohnen und sogar das Recht auf Leben sind durch das Phänomen "land grabbing“ bedroht.

Olivier De Schutter (Foto: picture alliance(dpa)
Olivier De SchutterBild: picture-alliance/dpa

Welche afrikanischen Länder sind besonders von "land grabbing" betroffen?

Zwei Drittel aller Fälle von "land grabbing“ geschehen in Subsahara-Afrika. In Zonen, in denen die Regierung ihre Einwohner nicht effektiv schützt und wo Gerichte nicht in der Lage sind, Gemeinschaften zu verteidigen, die auf Rohstoffquellen angewiesen sind. Hier werden große Teile des Landes von der Regierung weggegeben, leider oft als Ergebnis von Korruption. Die einheimische Elite profitiert davon, während die ländlichen Gemeinschaften machtlos dagegen sind.

In welchem Ausmaß wirkt sich "land grabbing" auf Nahrungssicherheit  aus?

Der Ertrag von "land grabbing“ liegt vor allem in großflächigen Plantagen, welche höchst mechanisiert und damit weniger arbeitsintensiv sind als kleinflächiger Familien-Ackerbau, wie er gewöhnlich in ländlichen Gemeinschaften praktiziert wird. Generell sind dann weniger Arbeitskräfte nötig - daraus resultiert, dass eine große Anzahl von Menschen ihre Existenz verlieren wird, sowie den Zugang zu dem Land, das sie brauchen, um Nahrung zu produzieren. Für diejenigen, die auf diesen großflächigen Plantagen keine Arbeit mehr finden, heißt das, dass sie ohne Einkommen und ohne adäquaten Unterhalt versuchen müssen zu überleben. Deshalb werden diese Menschen in Städte auswandern, in der Hoffnung, eine Arbeitsstelle in der Industrie oder im Servicebereich zu finden. Das wird jedoch nicht einfach werden. Das Ergebnis ist eine soziale Spaltung der Gesellschaft, mehr Armut und Ungleichheit in ländlichen Gebieten. Und das wollen wir verhindern.

Wie plant die UN sicherzustellen, dass Menschenrechts-Standards eingehalten werden, wenn große Landflächen von Ausländern gekauft werden?

Die Arbeit des Komitees für Welternährungssicherung dient dazu, eine Reihe von Grundlagen zu bestimmen, welche Staaten respektieren sollten, um ihre Landnutzer besser zu schützen. Diese Grundlagen sollten als innerstaatliche Gesetzgebungen umgesetzt werden. Sie sollten der Ausgangspunkt für Bezugnahmen von Gerichten und nationalen Menschenrechtseinrichtungen sein. Die Staaten sollten schrittweise berichten, wie sie diese Richtlinien in Gang setzen. Dies wiederum wird auf internationaler Ebene durch das Komitee für das Recht auf Nahrung beaufsichtigt. Es informiert sich regelmäßig darüber, wie diese Richtlinien auf innerstaatlicher Ebene eingehalten werden. Das ist nicht genug. Aber es ist ein erster Ansatz, und es ist in diesem Kontext sicherlich wichtig, internationale Rahmenbedingungen bereitzustellen, um festzulegen, wie Staaten handeln sollten.

Olivier de Schutter ist UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung.

Das Gespräch führte Chrispin Mwakideu.
Redaktion: Lina Hoffmann