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La Rennpappe – In Frankreich fährt man Trabi

Nadine Baier24. April 2008

Er ist langsam, umweltschädlich, hat keine Tankanzeige und kein Gebläse – der Trabi. Dennoch ist das Auto aus der ehemaligen DDR Kult. Und das nicht nur bei Ostalgikern in Deutschland.

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bunt bemalter Trabi am Straßenrand geparkt
Nicht nur in Deutschland Kult: Der TrabantBild: Bilderbox

In Frankreich machen derzeit rund 500 der kantigen Fahrzeuge die Straßen unsicher. Es gibt sogar einen Verein, der sich dafür einsetzt, dass der Trabant nicht in Vergessenheit gerät. Club Euro Trabi heißt er und wurde von Claude Martin gegründet, als der 1993 geschäftlich in Ost-Berlin war. "Ich ging abends nach der Arbeit gewöhnlich immer spazieren und war beeindruckt, dass es regelrechte Trabant-Schutthalden gab" erinnert sich Martin. "Trabanten, einfach so wie Müll weggeworfen. Das war eine Art Schock." Als er nach Paris zurückkehrte, gründete er mit ein paar Oldtimerbegeisterten Freunden einen Club, um die Trabis zu retten.

Claude Martin ist es zu verdanken, dass der Trabi den Weg nach Frankreich gefunden hat. Mittlerweile hat sein Club 400 Mitglieder - Tendenz steigend. Claude Martin ist selbst stolzer Besitzer von zwei Trabanten- einer trägt sogar das KFZ-Zeichen der Deutschen Demokratischen Republik!! "Die Leute sind überrascht, wenn sie mich sehen", erzählt Clubmitglied Jacky Bernond. "Meine Arbeitskollegen haben moderne Autos, die neuesten Computer, da ist der Trabant außergewöhnlich. Und außerdem bin ich immer der erste, der bei Grün losfährt." Die anderen Autofahrer seien nämlich dann immer noch damit beschäftigt, seinen Trabi anzustarren würde darüber das Gaspedal ganz vergessen. Jacky Bernond fühlt sich in seinem Trabi wie ein Star: Alles schaut auf den sogenannten Plastikbomber.

Unbegrenzte Fahrerlaubnis

Mann präsentiert stolz die Schlüssel zu seinem neuen Trabant und steigt ins Auto
Das höchste der Gefühle in der ehemaligen DDR - ein neuer Trabant, frisch ab WerkBild: AP

Dass sich ein Franzose je in das Auto verlieben würde, hätte sich das Präsidium des Ministerrats der DDR in den fünfziger Jahren nicht erträumen lassen. Das Ost-Kabinett ließ 1954 einen Kleinwagen entwickeln. Die Vorgaben: er sollte nicht mehr als fünfeinhalb Liter Benzin auf 100 Kilometer verbrauchen und günstig herzustellen sein. Weil zudem Blech in der DDR Mangelware war, erhielt der Trabant eine Kunststoffkarosserie. Der billige Werkstoff aus Harzpulver und Baumwolle trug dem Auto unter anderem den Spitznamen Rennpappe ein. Das hören die französischen Trabiliebhaber wie Jacky gar nicht gerne. "Die sind doch nur neidisch", sagt er. "Monsieur, sie haben ja ein Auto aus Pappe, sagen die mir." Wenn er das verneine, behaupteten sie, es sei aus Holz. "Also, dass man mir das sagt, das stört mich ungemein."

Dass ihr Fahrzeug aus technischen Mängeln von der Straße genommen wird, müssen die Fans des Trabis allerdings nicht befürchten. Der Trabi gehört zur Riege der Oldtimer, und Oldtimer bekommen in Frankreich die Plakette O. Damit müssen sie nie wieder zur Hauptuntersuchung. Auch Grenzbeamte, erzählen die Clubmitglieder, drücken meistens ein Auge zu. Clubmitglied Laurent liebt Deutschland. So wie alle Trabiclubmitglieder. Für sie ist der Club nur ein Vorwand, gestehen sie, um über das deutsche kulturelle Erbe zu sprechen. Insgesamt 52 mal hat Laurent die DDR durchfahren erzählt bei den Trabi-Club-Treffen gerne kleine Anekdoten aus dieser Zeit. Er hat sogar eine Uniform der DDR-Reichsbahn ersteigert.

Ein Trabi aus dem Internet

Trabantfahrer nehmen an einem Umzug teil zum Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1999
Ostalgie in himmelblauBild: AP

Seinen himmelblauen Trabi hat Laurent nach dem Mauerfall für 110 Euro übers Internet bestellt. Ein Deutscher, aus der Nähe von Schwerin, hatte ihn angeboten. "Ich bin mit meinem eigenen Auto nach Schwerin gefahren, dann mit dem Trabi nach Frankreich und dann wieder mit dem Bus zurück nach Schwerin, um mein Auto zu holen", erinnert er sich. "3000 Kilometer habe ich zurückgelegt!" 3000 Kilometer mit einem halb abgelösten Motor! Das ging noch mal gut. Laurent Canon glaubt, dass der hellblaue Trabi ein Geschenk des Himmels war, denn die Lieblingsfarbe seiner verstorbenen Mutter war auch himmelblau.

Mit Vernunft hatte Trabifahren für Laurent nie viel zu tun. Der Franzose schwelgt in n-ostalgischen Erinnerungen: "Ich hatte Aufenthaltsverbot in der DDR, denn ich hatte mich in ein Mädchen aus der DDR verliebt. Aber die Stasi hat mir verboten bei ihr zu übernachten, ich durfte nur durchfahren." Seine Freundin sei auf dem Weg zur Staatstänzerin gewesen, daher habe die Stasi Abwerbeversuche und Flucht vermeiden wollen. "Das hat mich so geprägt, so sehr, dass ich einen Trabi haben musste."