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Politik

Kushner hat (k)einen Plan

Diana Hodali | Emad Hassan
25. Juni 2019

Die Erwartungen waren groß - Jared Kushner hatte zwei Jahre Zeit, seinen Nahost-Wirtschaftsplan vorzulegen. Der palästinensischen Wirtschaft sagt er gute Zeiten voraus, aber politische Realitäten finden keinen Platz.

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Jared Kushner, Berater des Weißen Hauses
Bild: Getty Images/S. Gallup

136 Seiten umfasst der Nahost-Wirtschaftsplan, der unter der Federführung des Schwiegersohns von US-Präsident Donald Trump, Jared Kushner, entstanden ist und jetzt veröffentlicht wurde. "Frieden zu Wohlstand" heißt das Dokument, das aussieht wie ein Hochglanzmagazin. Bilder von lachenden Bauern und von Kindern, die an ehemals von USAID finanzierten Schulen vorbeigehen, zieren seine Seiten. Es sind Bilder von Projekten, die beendet werden mussten, da die US-Regierung die Finanzierung für USAID im Westjordanland und im Gazastreifen massiv gekürzt hat.

Jeder kann den Wirtschaftsplan im Internet abrufen, doch bei dem lange angekündigten Wirtschaftsworkshop im bahrainischen Manama will Kushner den Wirtschaftsteil des sogenannten "Jahrhundert-Deals" offiziell vorstellen. Der politische Teil soll folgen. Nur wann, das weiß keiner. Allerdings wird erst damit gerechnet, nachdem in Israel im September gewählt wird und in Jerusalem eine neue Regierung steht.

Auf 96 Seiten werden Programme, Projekte und Statistiken zusammengefasst. Auf 40 Seiten wird das Projekt "Frieden zu Wohlstand" beschrieben - aufgeteilt in drei Kapitel. Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) befand bei einem Treffen der Arabischen Liga, der Plan bestehe lediglich aus "abstrakten Versprechungen".

Palästina Ramallah | Schild USAID
USAID: Allein im vergangenen Jahr wurden 500 Millionen US-Dollar Projektgelder für Palästinenser gekürztBild: DW/T. Kraemer

1. Das wirtschaftliche Potenzial entfesseln

Die Korruption soll bekämpft werden. Das Westjordanland und der Gazastreifen sollen Zugang zu regionalen und globalen Märkten bekommen, eine Bahnverbindung soll den Gazastreifen und das Westjordanland miteinander verbinden. Doch wie das, was jahrzehntelang nicht passiert ist, genau vonstatten gehen soll, steht in dem Plan nicht. Auch ist die Rede davon, den privaten Sektor zu stärken und die Handynetze 4G, LTE und 5G einzuführen. 5G gibt es bislang noch nicht einmal in den USA; erst seit Anfang 2018 gibt es 3G im Westjordanland, weil die israelische Regierung nach vielen Jahren des Wartens die Erlaubnis erteilt hat. Gaza und das Westjordanland könnten, so die Vision Kushners, wie "Dubai und Singapur von ihrer strategischen Lage" profitieren und zu einem regionalen Finanzzentrum werden. In Dubai und Singapur gibt es allerdings Flughäfen, im Westjordanland und im Gazastreifen nicht. Stattdessen sollen laut Plan die Flughäfen in den Nachbarländern Libanon und Jordanien ausgebaut werden.

2. Das palästinensische Volk stärken

In dem Plan wird auch das Thema Bildung aufgegriffen: Online-Bildungsplattformen und internationaler Austausch werden in Aussicht gestellt. Ob dadurch dann auch die Reisebeschränkungen und die Bewegungsfreiheit der Palästinenser erleichtert würden, bleibt offen. Es gibt Generationen von jungen Menschen, die den Gazastreifen noch nie verlassen durften. In kulturelle Institutionen soll investiert werden, der Gesundheitssektor soll auf Vordermann gebracht werden. Doch auch hier gibt es keinen Hinweis darauf, wie genau die Umsetzung erfolgen soll. Überhaupt bleibt vieles sehr vage.

3.Stärkung der Palästinensischen Führung

Der letzte Teil des Nahost-Wirtschaftsplans widmet sich der Förderung der Palästinensischen Führung. Diese soll Unterstützung erhalten, damit sie wiederum die Privatwirtschaft stärken kann. Exporte sollen steigen und auch die Abhängigkeit der Palästinenser von anderen Geldgebern soll gesenkt werden. 

Bildkombo Mohammed bin Salman, Kronprinz Saudi-Arabien & Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident Israel
Saudi-Arabien und Israel sind sich in der jüngeren Vergangenheit näher gekommenBild: Reuters/A. Levy & A. Cohen

Geld von anderen

Um die Ziele umzusetzen, werben die USA auf der Konferenz von Manama um Investitionen in Höhe von 50 Milliarden Dollar (44 Milliarden Euro), die in den kommenden zehn Jahren ausgegeben werden sollen. In Bahrain werden mit den USA verbündete Golfstaaten wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate erwartet. Auch Vertreter aus Ägypten, Jordanien und Marokko sollen teilnehmen, nicht aber der Libanon oder der Irak. Die israelische Regierung wurde nicht eingeladen. Die Palästinensische Autonomiebehörde boykottiert das Treffen.

Dass nur arabische Staaten eingeladen wurden, werten viele als Versuch, das Geld insbesondere von den reichen Golfstaaten zu bekommen. So auch Tarek Baconi, Analyst bei der in Brüssel ansässigen Crisis Group. Die USA würden in dem Wirtschaftsplan Projekte vorschlagen, die sie einst selbst gefördert hätten. "Es scheint aber ihr Wunsch zu sein, sich komplett aus irgendeiner Form der Finanzierung oder Unterstützung der Palästinenser herauszuhalten - zumindest rhetorisch", sagte er im DW-Gespräch. Die Golfstaaten könnten eine mögliche Unterstützung der Palästinenser in Betracht ziehen, um ihr Verhältnis zu Israel weiter zu normalisieren und eine vereinte Front gegen den Iran zu bilden, so Baconi. 

Ablehnung aus der arabischen Welt

Doch auch wenn das Geld zugesagt werden sollte: Sowohl die palästinensische Führung als auch das Volk lehnen den von Kushner vorgelegten Plan ab. Mounir el-Jagoub, Sprecher der Fatah-Partei von Präsident Mahmoud Abbas, nannte den Plan einen Versuch, durch Gelder reicher arabischer Staaten die "politischen Bestrebungen des palästinensischen Volkes zu töten". Auch wenn der Wirtschaftsplan von Jared Kushner wohl erst dann greifen soll, wenn es einen Friedensplan gibt, scheint jetzt schon klar: Ein eigener palästinensischer Staat ist darin nicht vorgesehen. US-Regierungsvertreter ließen bereits durchsickern, Kushner habe die von zahlreichen Staaten weltweit akzeptierte Zwei-Staaten-Lösung, die den Palästinensern neben Israel einen eigenen Staat einräumt, über Bord geworfen.

Und auch auf den 136 Seiten des Kushner-Plans ist kein einziges Mal eines der Worte "Palästinensischer Staat", "Palästina" oder "Besatzung" zu lesen. Auch Israel wird nur im Zusammenhang mit Grenzübergängen oder wirtschaftlicher Zusammenarbeit erwähnt. Die politischen Umstände werden außen vor gelassen. Auch deshalb nennt Ilan Goldenberg, Sicherheitsdirektor Nahost am CNAS (Center for a New American Security) in Washington den Plan auf Twitter ein "Imaginary Scenario" - "ein fiktives Szenario". Denn noch herrscht eben kein Frieden.

Auch Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) blickt kritisch auf die formulierten Ziele der Trump-Administration: "Die Haupthindernisse für wirtschaftliche Entwicklung in den palästinensischen Gebieten werden nicht angesprochen." Weder die Besatzung und die mit ihr verbundenen Einschränkungen, noch die Blockade des Gaza-Streifens und auch nicht die palästinensische Spaltung. Und nirgendwo stünde etwas von der "einseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit der Palästinenser von Israel, wie sie im Pariser Protokoll von 1994 festgeschrieben ist". 

"Kushner-Plan wird nicht fliegen"

Der Nahost-Friedensplan der US-Regierung stößt auch in der palästinensischen Bevölkerung auf breite Ablehnung – in Ramallah zogen die Menschen aus Protest auf die Straßen. Scharfe Kritik erntete das Vorhaben insbesondere dafür, dass es keinen politischen Lösungsansatz parat halte, sondern in erster Linie auf Wirtschaftsförderung setze. "Die Abfolge, dass auf wirtschaftliche Belebung Frieden folgt, ist unrealistisch", sagte der palästinensische Finanzminister Schukri Bischara.

Dass die Palästinenser dringend Geld brauchen, ist unbestritten, doch vor allem, so Präsident Abbas, wollen sie eine politische Lösung. Das sieht auch Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion so. "Die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts erfordert die Berücksichtigung der berechtigten Anliegen aller Akteure - dazu zählt auch ein eigener palästinensischer Staat. Die Vorstellung, dass sich die Palästinenser gegen Geldleistungen von dieser Idee verabschieden, ist beängstigend naiv und von vornherein zum Scheitern verurteilt." Der Kushner-Plan werde daher "nicht fliegen", so Schmid: "'Der Berg kreißte und gebar eine Maus' - so lässt sich zusammenfassen, was monatelang angekündigt und an diesem Wochenende in Teilen veröffentlicht wurde."