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Kulturpolitik auf der Baustelle Europa

18. Dezember 2011

Europa ist zerstritten, die Risse sind tief. Welche Rolle kann Kulturpolitik in dieser Situation übernehmen? Ein Gespräch mit Hans-Georg Knopp, Generalsekretär des Goethe-Instituts.

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Puzzlebild mit der europäischen Flagge.
Bild: bibu-Fotolia.com

Deutsche Welle: Europa steht so zerstritten da wie lange nicht, viele sprechen von einer Spaltung. Ist in dieser Situation die Kulturpolitik gefragt?

Hans-Georg Knopp: In der Tat, es macht uns allen ein bisschen Sorgen, insbesondere denen, die in einer Generation aufgewachsen sind wie ich, die absolut überzeugte Europäer sind. Gleichwohl muss ich sagen, in der Kultur stellt sich das ein bisschen anders dar - jedenfalls innerhalb der nationalen Kulturinstitute. Wir haben 2006 die Vereinigung der europäischen nationalen Kulturinstitute (EUNIC) gegründet. Das Goethe-Institut war einer der ganz starken Geburtshelfer, und bis heute sind wir eine der ganz starken treibenden Kräfte für die europäische Zusammenarbeit. Da funktioniert es eigentlich hervorragend.

Dr. Hans-Georg Knopp, Generalsekretär des Goethe-Instituts Copyright: Goethe-Institut
Hans-Georg KnoppBild: Goethe-Institut

Fühlen Sie sich denn aufgerufen, mit den Mitteln der Kulturpolitik etwas für eine verbesserte europäische Einigung zu tun?

Das ist etwas, woran wir vor etwa fünf Jahren noch nicht so gedacht hätten. Ein kleines, aber wichtiges Beispiel: Das Goethe-Institut Paris hat unlängst Jürgen Habermas zu einem großen Vortrag eingeladen, und es sind sehr, sehr viele Franzosen dort gewesen und haben über Europa diskutiert. Ich glaube, genau so etwas muss das Goethe-Institut im Augenblick tun.

Wie sieht es denn mit Griechenland aus? Dort steht Deutschland in den Augen der Bevölkerung ziemlich schlecht da – allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in den Zeitungen wohl noch nie so viel karikiert wurde wie in den letzten Monaten. Was tut "Goethe" speziell mit Blick auf Griechenland?

Dieses Bild von Deutschland muss man differenziert sehen. In Athen und Saloniki haben wir so viele Sprachkurse und -prüfungen wie noch nie! Das gilt übrigens auch für Spanien. Wir helfen jungen Menschen, die eine Ausbildung, aber keine Arbeit haben, in ihrer Hoffnung, auch in Deutschland Arbeit zu bekommen. In dieser Hinsicht ist das Bild von Deutschland durchaus positiv.

Heißt das, es gibt keinerlei Versuche – oder Versuchungen -, Imagepflege für Deutschland zu betreiben?

Ich glaube, gerade in solchen Situationen würden die Menschen sehr schnell merken, dass man nur eine Oberfläche polieren möchte. Uns hat ja immer ausgezeichnet, dass wir eine tiefer gehende Arbeit machen wollen.

A woman holds up a placard with the image of German Chancellor Angela Merkel during a protest outside the German embassy in the Greek capital Athens, on Thursday Oct. 6, 2011. The placard reads, "Europe will become German." The small group of protesters said Germany must pay Greece reparations for its occupation of the country during WWII before Greece pays off its debts. (Foto:Kostas Tsironis/AP/dapd)
Griechischer Protest gegen DeutschlandBild: dapd

Kürzlich gab es ein Manifest von vier europäischen Intellektuellen. Die französischen Philosophen

André Glucksmann und Bernard Henry Lévy sowie die deutschen Schriftsteller Hans Christoph Buch und Peter Schneider haben gefordert, man müsse mehr Europa wagen. Gilt das auch für das Goethe-Institut?

Ja, ich persönlich habe immer dafür geworben, auch außerhalb Europas viel stärker als Europa aufzutreten. Ein konkretes Beispiel: Gerade haben wir den "Kompass" fertig gestellt, ein Buch, das auch im Internet zu lesen ist. Es zeigt europäischen Kulturinstituten, wie wir mit chinesischen Kulturinstituten zusammenarbeiten können und umgekehrt. Das ist ein genuin europäisches Kulturprojekt. Wir informieren über Europa, und wir ermuntern zur Zusammenarbeit mit Europa.

Sie sagten eingangs, Sie gehörten zu einer Generation, die ganz überzeugt europäisch denkt. Sehen Sie bei der jungen Generation ein Nachlassen dieser Europa-Idee?

Da bin ich manchmal ein bisschen skeptisch. Ich persönlich habe auf Europa gewartet. Ich kann mich noch erinnern, dass Carnets de Passages (Passagierscheine) notwendig waren, um in ein anderes Land zu fahren. Viele haben das eben nicht erlebt. Und auch die Erinnerung an Kriege ist für eine jüngere Generation, die so viele Jahre konfliktlos erlebt hat in Europa, vielleicht nicht mehr die richtige Erinnerung. Ich glaube, es fehlt in Europa an Visionen. Und es fehlt an Menschen, die diese Visionen aussprechen! Da würde ich mir mehr wünschen, auch von der Politik. Auch von der Kultur: Dass diese Vision jüngeren Menschen vermittelt wird als etwas, wonach man auch emotional streben kann!

Und was ist Ihre Vision von Europa?

Meine Vision wäre ein viel stärkeres europäisches Zusammenarbeiten. Es heißt immer, wir bestehen aus vielfältigen Kulturen. Das ist richtig, aber das Eine braucht das Andere nicht auszuschließen. Ich wünsche mir eine viel engere Zusammenarbeit. Kein Europa der Vaterländer!

Das Interview führte Aya Bach
Redaktion: Gudrun Stegen

Dr. Hans-Georg Knopp ist langjähriger Akteur der Auswärtigen Kulturpolitik. Er war zunächst mehr als zwei Jahrzehnte beim Goethe-Institut tätig. 1996 bis 2005 war er erst Generalsekretär, später Intendant am Haus der Kulturen der Welt. Anschließend kehrte er zum Goethe-Institut zurück und ist seitdem dessen Generalsekretär.