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Ist Familie Frauensache?

Henriette Wrege18. November 2008

Mit bezahltem und längerem Mutterschutz will die EU-Kommission Frauen den Wiedereinstieg in den Job erleichtern. Die Vorschläge stoßen in Deutschland nicht nur auf Zustimmung.

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Eine Mutter hält ihr Kind hoch. (Quelle: Bilderbox.com)
Frauen sollen künftig einen längeren Mutterschutz haben, so will es die EU-KommissionBild: bilderbox.com

Die EU-Kommission will dafür sorgen, dass Frauen in Zukunft Familie und Beruf besser vereinbaren können. Darum sollen erstmals auch Freiberuflerinnen und im Betrieb mithelfende Ehefrauen einen bezahlten Mutterschutz erhalten. Die neue Richtlinie sieht außerdem vor, die Dauer des Mutterschutzes von insgesamt 14 Wochen auf 18 Wochen zu verlängern. In den meisten EU-Mitgliedstaaten wird das bereits so gehandhabt. In Deutschland jedoch hagelte es Empörung, als die Kommission im Oktober ihren Vorschlag veröffentlichte.

Eine Mutter sitzt mit ihrem Baby am Laptop. (Quelle: picture-alliance/dpa/dpaweb)
Noch immer beantragen Frauen weit häufiger als Männer die ElternzeitBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Viele Frauen in Deutschland wollen ihren Beruf nicht aufgeben, um Kinder großzuziehen. Rechtlich stehen ihnen drei Jahre Elternzeit zu, in denen sie nicht gekündigt werden dürfen. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Da bietet ein Arbeitgeber seiner Mitarbeiterin an, ihr eine Abfindung zu zahlen, wenn sie freiwillig kündigt, statt in Elternzeit zu gehen. Oder eine Mutter ist seit dem Ende ihrer Elternzeit arbeitslos, weil ihre Firma sich weigert, die Alleinerziehende zu beschäftigen.

Elternzeit in der deutschen Realität

Diese deutsche Realität kennt auch Anne Seyferth von der Friedrich-Ebert-Stiftung. "Deutschland zählt im europäischen Vergleich nicht gerade zu den Vorreitern in der Familienpolitik. Sonst hätten wir weder die bekannte demografische Situation, nämlich eine geringe Geburtenrate", erläutert Seyferth, "noch eine vergleichsweise niedrige Erwerbstätigkeit der Mütter, noch eine relativ hohe Anzahl von Kindern, die in armen Familien aufwachsen müssen."

Der beste Schutz vor Kinderarmut ist eine berufstätige Mutter. Das haben sozialwissenschaftliche Studien bereits zur Genüge belegt. Belegt ist auch der Zusammenhang zwischen Kinderzahl und Berufstätigkeit von Frauen: Je mehr Mütter ein ausreichendes Gehalt für ihre Arbeit bekommen, desto höher ist die Geburtenrate. Hier möchte die Europäische Kommission mit ihrer Verlängerung der Mutterschutzfristen ansetzen. Ziel ist es auch, auf diese Weise langfristig Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit in der gesamten Europäischen Union zu erhöhen.

Petra Schott arbeitet in der EU-Kommission in der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit: "Die Frauen haben dann etwas länger Zeit, sich nach der Geburt zu erholen. Sie haben länger Zeit, sich mit dem Kind aneinander zu gewöhnen, an das gemeinsame Leben miteinander", sagt sie. Zudem könne es für die Frau einfacher sein, einen Platz in der Kinderbetreuung zu finden, um so leichter in den Beruf zurückzukehren, meint Schott.

Schwer vereinbar: Familie und Beruf

Eine Friseurin frisiert eine Kundin. (Quelle: dpa)
18 Wochen Mutterschutz sollen Frauen den Wiedereinstieg in den Job erleichternBild: PA/dpa

Als Schritt in die richtige Richtung gilt im Prinzip die Elternzeit, wie sie Deutschland und Schweden eingeführt haben. Die steht Müttern und Vätern gleichermaßen zu. In Deutschland bleiben rund 4500 Väter ein ganzes Jahr bei ihrem Kind zu Hause.

Das entspricht allerdings noch nicht einmal einem Prozent aller deutschen Väter, sagt der Politologe Peter Döge. Er untersucht, warum sich Familie und Beruf bisher so schwer kombinieren lassen. Der EU-Kommission wirft er vor, mit der Verlängerung der Mutterschutzfristen nur an die Frauen zu denken - als müssten nur sie Kinder und Job vereinbaren. Aber die Geschlechterbilder veränderten sich. Immerhin seien heute 90 Prozent der Väter bei der Geburt ihrer Kinder dabei.

Döge spricht sich überhaupt dafür aus, die werdenden Väter stärker mit einzubeziehen: "Wir wissen aus zahlreichen Studien, dass Väter dann aktiver in der Kinderbetreuung sind, wenn sie das Kind als gemeinsames Kind erfahren. Also wenn beide schwanger sind. Die Väter, die zum Beispiel bei der Geburtsvorbereitung dabei sind, machen nachweislich nachher mehr."

Ist ein längerer Mutterschutz die Lösung?

Auf dem Bauch einer Schwangeren liegen die Hände der Mutter und des Vaters.
Den Nachwuchs als gemeinsames Kind zu erfahren, bindet den Vater mehr ein, sagt Peter DögeBild: AP

Den verlängerten Mutterschutz lehnt auch die deutsche Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände ab. Renate Hornung-Draus ist dort für Internationale Sozialpolitik zuständig und plädiert dafür, dass Väter und Mütter die Elternzeit zu gleichen Teilen nutzen sollen. "Man müsste das so kombinieren, dass beide Elternteile nicht ganz den Bezug verlieren. Aber davon sind wir sozial und kulturell sehr weit entfernt", sagt Hornung-Draus. Die Position der Unternehmen sei deshalb, dass man Betreuungseinrichtungen fordere. "Damit man nicht vor dieser Radikalalternative 'Alles oder Nichts' steht. Das ist Gift für die Kontinuität und die echte Vereinbarkeit", erklärt sie.

Renate Hornung-Draus kennt aus eigener Erfahrung sowohl das deutsche als auch das belgische Kinderbetreuungssystem. In Deutschland werde immer noch davon ausgegangen, dass die Mutter im Ernstfall zur Stelle ist. In Belgien dagegen sind die Kinder versorgt und die Eltern können sich auf die Berufsarbeit konzentrieren.

Maria Kathmann vom Deutschen Gewerkschaftsbund meint, dass vor allem die Arbeitsgeber ihre Haltung verändern müssten: "Wenn man sich jetzt anschaut, wie ist es in den östlichen Bundesländern ist - da haben wir teilweise auch für unter Dreijährige eine Betreuungsquote von 57 Prozent." Wenn man mit Betriebsräten oder den Beschäftigten rede, stelle sich immer wieder heraus, dass es erhebliche Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gebe.

Kathmann ist sich sicher: "Das hat etwas mit dieser Anwesenheitskultur und mit der Erwartung von Unternehmen zu tun, grundsätzlich erst mal Beschäftigte haben zu wollen, die sonst nichts im Hintergrund zu tun haben."

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