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Politik

Koalitionsspitzen einigen sich - ein bisschen

27. Juni 2018

Flüchtlinge, Asyl, EU-Reformen - es gab viel zu besprechen beim Krisentreffen im Kanzleramt. Als einziges greifbares Ergebnis stand am Ende die Einigung beim Baukindergeld. Die anderen Themen wurden vertagt.

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Deutschland, Berlin: Koalitionsgipfel im Kanzleramt
Bundesfinanzminister Scholz, SPD-Chefin Nahles und die CDU-Vorsitzende Merkel beim Treffen im Kanzleramt Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrzcenka

Im ARD-Morgenmagazin sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder, man habe sich beim Baukindergeld geeinigt. "Es wird in der Zeit von 01.01.2018 bis 31.12.2020 gezahlt werden, und zwar ohne eine Begrenzung auf Quadratmeterzahlen." Es bleibe bei dem Zuschuss von 12 000 Euro in zehn Jahren pro Kind, sagte der CDU-Politiker.

Kauder sprach von einem schnellen Schub für den Wohnungsbau. Daneben gebe es dann noch die Abschreibungen für den Wohnungsbau und mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau. "Die Städtebauförderung wird stabilisiert auf dem Niveau dieses Jahres", so Kauder.

Keine Annäherung erfolgte bei dem Spitzentreffen in Sachen Asylstreit. Laut Kauder besteht aber weiterhin die Hoffnung, dass eine Lösung gefunden wird. "Solange miteinander gesprochen wird und auch über die Frage gesprochen wird, wie geht es weiter, ist immer noch Grund, darauf zu hoffen, dass wir zu einem Ergebnis kommen." 

Zuvor hatten sich im Asylstreit der Unionsparteien führende Politiker von CDU und CSU demonstrativ um eine Entspannung des heftigen Konflikts bemüht. In der Sache aber blieben beide Seiten hart. Ein Weg zu einer Kompromisslösung war weiter nicht erkennbar. Bei dem Spitzentreffen in Berlin erschienen für die CDU Kanzlerin Angela Merkel, Unions-Fraktionschef Volker Kauder sowie Kanzleramtschef Helge Braun, für die CSU Innenminister und Parteichef Horst Seehofer sowie Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Für die SPD nahmen Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles sowie Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz an der Runde teil.

Der in den vergangenen Tagen besonders von der CSU mit harten Bandagen ausgetragene Konflikt zwischen Merkel und Seehofer um die Zurückweisung bestimmter Flüchtlinge an der deutschen Grenze hat das Verhältnis der Unionsparteien schwer erschüttert. Ein dauerhaftes Zerwürfnis mit unabsehbaren Folgen für die große Koalition erschien möglich.

Union als Schicksalsgemeinschaft

Seehofer machte zuletzt deutlich, dass er vom Fortbestand der großen Koalition ausgeht. Wenn Politiker und Medien glaubten, das Bündnis fliege bald auseinander, so sei das "weltfremd", sagte der CSU-Vorsitzende. CSU-Landesgruppenchef Dobrindt betonte: "CDU und CSU sind eine Schicksalsgemeinschaft." Und Unionsfraktionschef Kauder sagte: "Dass wir heute so gut dastehen, hat auch mit 70 Jahren erfolgreicher Politik von CDU und CSU zu tun. Und das wollen wir auch in Zukunft so beibehalten."

Merkel steht unter großem Druck. Hintergrund des Asylstreits ist Seehofers Ankündigung, Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden, vom 1. Juli an an der deutschen Grenze abzuweisen. Merkel lehnt einen solchen "nationalen Alleingang" entschieden ab. Sie will sich auf dem EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag für eine "europäische Lösung" in der Flüchtlingspolitik einsetzen. Seehofer würde nach eigenen Worten auf die Zurückweisungen an der Grenze verzichten, wenn Merkel auf EU-Ebene eine Vereinbarung erzielen sollte, die den gleichen Effekt hätte wie die von ihm geplante Maßnahme.

Merkel rechnet beim EU-Gipfel in Brüssel noch nicht mit einer umfassenden Vereinbarung zu einem gemeinsamen europäischen Asylpaket. Zwei von sieben EU-Richtlinien, die für eine grundlegende Reform des europäischen Asylsystems geändert werden müssten, seien noch offen, sagte Merkel nach einem Treffen mit dem neuen spanischen Regierungschef Pedro Sanchez in Berlin. Dazu gehörten die Asylverfahrensrichtlinie und eine Reform der Dublin-Regeln, nach denen die Zuständigkeit für einzelne Asylbewerber in der EU festgelegt wird. "Da wird noch ein wenig Zeit notwendig sein." Deshalb plädierte Merkel erneut für bilaterale Abkommen einzelner EU-Staaten mit Herkunfts- und Transitländern.

Merkel empfängt spanischen Regierungschef Sanchez
Vor dem Koalitionsausschus kam Merkel in Berlin noch mit dem spanischen Regierungschef Sanchez zusammenBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

SPD wird allmählich nervös

SPD-Chefin Nahles warf der Union eine Blockade der Regierungsarbeit wegen des erbitterten Asylstreits vor. "Der Streit in der CDU/CSU lähmt die gesamte politische Arbeit", sagte sie am Dienstag. Eindringliche Worte richtete der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel an die beiden Koalitionspartner. "Man fragt sich, sind die völlig wahnsinnig", sagte Gabriel der Deutschen Presse-Agentur. "Ausgerechnet ich als Sozi sage: Ich kann nur hoffen, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt." Weil sie das deutsche Gewicht in Europa, aber auch das europäische Gewicht für Deutschland spüre.

Derweil kritisierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Asylstreit in der Union scharf: "Ich habe mich dieser Tage häufiger gefragt, wie sollen wir eigentlich erfolgreich für Vernunft und Augenmaß in der politischen Debatte werben, wenn auf höchster Ebene und selbst im Regierungslager mit Unnachsichtigkeit und maßloser Härte über eigentlich doch lösbare Probleme gestritten wird."

kle/qu (dpa, afp, rtr)