1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Streit um das K-Wort

15. April 2010

Ist die Bundeswehr in Afghanistan im Kriegs-Einsatz? SPD-Chef Gabriel forderte ein neues Afghanistan-Mandat des Bundestags, weil die Regierung von Krieg rede. Was steckt völkerrechtlich hinter dem K-Wort?

https://p.dw.com/p/Mvsc
Zwei Fallschirmjäger der Bundeswehr patroullieren bewaffnet in Afghanistan (Foto: AP)
Bild: AP

Deutsche Soldaten im Krieg, eine solche Aussage von deutschen Regierungspolitikern war jahrzehntelang undenkbar. Nur die oppositionelle Linkspartei sprach in den vergangenen Jahren davon und verstand das als Vorwurf. Seit aber Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im Herbst 2009 Verteidigungsminister wurde, kommt das K-Wort auch über die Lippen von regierenden Politikern, allerdings meist mit Einschränkungen. Zunächst war die Rede von kriegsähnlichen Zuständen in Afghanistan. Dann wurde Verständnis dafür geäußert, dass die Bevölkerung und die Bundeswehrsoldaten ihren Einsatz als Krieg empfinden, erst vom deutschen Verteidigungsminister, der ausdrücklich betonte, er meine das umgangssprachlich, dann auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Ist die Bundeswehr in Afghanistan im Krieg?

Prof. Claus Kreß (Foto: Uni Köln)
Prof. Claus KreßBild: Universität zu Köln

Aus juristischer Sicht nicht, sagt der Kölner Völkerrechtler Claus Kreß und nennt dafür zwei Gründe: "Zum einen, weil es sich nicht um die Auseinandersetzung zwischen zwei Staaten handelt und weil wir den Kriegsbegriff als Völkerrechtsbegriff gar nicht mehr gebrauchen". Im Völkerrecht spricht man seit Jahrzehnten nur noch von bewaffneten Konflikten. Im Fall Afghanistan handele es sich im Kern um eine Auseinandersetzung zwischen der afghanischen Regierung und den Aufständischen, erläutert Kreß. Das nannte man früher einen Bürgerkrieg und heute einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt. Genau daran sei die Bundeswehr beteiligt. Weil die ausländischen Truppen auf Seiten der afghanischen Regierung agieren, bleibt es per Definition trotz internationaler Beteiligung ein nichtinternationaler Konflikt.

Ändert sich etwas durch die Rede vom Krieg?

Der SPD Vorsitzende Sigmar Gabriel in nachdenklicher Pose beim SPD Parteitag in Dresden im November 2009 (Foto: AP)
SPD-Chef Sigmar GabrielBild: AP

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat der Bundesregierung nahegelegt, sie solle das Bundestagsmandat für den Afghanistan-Einsatz überdenken, wenn sie vom Krieg rede. Diese Aussage hält der Kölner Völkerrechtler Claus Kreß für "irreführend". Schließlich, so Kreß, sei die Position der Bundesregierung, dass man sich in einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt befinde, mittlerweile völlig klar und auch völkerrechtlich zutreffend. Aussagen von Politikern, so der Jurist Kreß, beeinflussen die Rechtslage nicht. Der Einsatz sei durch das Bundestags-Mandat wie auch durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen abgedeckt. Insofern bestehe "überhaupt kein Handlungsbedarf".

Was sagen die Vereinten Nationen...?

Bild vom Plenum des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
Bild: AP

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen spricht weder von Krieg noch von gewaltsamen Konflikten. Er hat die Teilnehmer an der ISAF-Mission ermächtigt, alle zur Erfüllung ihres Mandats notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, inklusive gewaltsamer militärischer Maßnahmen, um die Sicherheit in Afghanistan zu unterstützen. In der Resolution 1890 vom Oktober 2009, mit der das ISAF-Mandat bis Herbst 2010 verlängert wurde, heißt es, dass die Situation in Afghanistan weiterhin eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstelle. Der Sicherheitsrat unterstützt die Anstrengungen der ISAF-Staaten, um "gegen die von den Taliban, der El Kaida und anderen extremistischen Gruppen ausgehende Bedrohung anzugehen".

...und der Bundestag?

Mitglieder der Linksfraktion halten im Bundestag Schilder mit den Namen afghanischer Zivilisten hoch, die beim Luftangriff in Kundus getötet wurden (Foto: AP)
Die Linkspartei protestierte im Bundestag gegen den deutschen Afghanistan-EinsatzBild: AP

Diese Resolution ist auch Grundlage für den jüngsten Bundestagsbeschluss zur Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan, dem im Februar 2010 auch die SPD-Fraktion zugestimmt hat. Im zugrundeliegenden Antrag der Bundesregierung heißt es: "ISAF ist autorisiert, alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt zu ergreifen, um das Mandat der Resolution 1890 (2009) durchzusetzen".

Warum so viel Angst vor dem K-Wort?

Es habe lange gedauert, sei aber begrüßenswert, dass die Bundesregierung mittlerweile zu einer völkerrechtlich zutreffenden Einschätzung zum Afghanistan-Einsatz gekommen sei, sagt der Völkerrechtler Claus Kreß. Nach seiner Einschätzung hatte die lange Zurückhaltung beim Kriegsbegriff wie auch beim Begriff des bewaffneten Konflikts wohl politische Gründe. "Man hatte ganz offensichtlich Sorge", so vermutet der Jurist, "der deutschen Bevölkerung das ganze Ausmaß der Brisanz der Auseinandersetzung in Afghanistan klar zu machen".

Autorin: Andrea Grunau
Redaktion: Manfred Götzke

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen