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Grünen-Parteitag

26. November 2011

Der erste grüne Ministerpräsident, Winfried Kretschmann, wird zur neuen Leitfigur seiner Partei. Sein Wort hatte auf dem Parteitag großes Gewicht, auch wenn er an etablierten Positionen rüttelte: etwa in der Atompolitik.

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Winfried Kretschmann am Rednerpult (Foto: dpa)
Erster Ministerpräsident von Bündnis 90/Die GrünenBild: picture-alliance/dpa

"Das atomare Endlager in Gorleben ist ein irrsinniger Plan", rief die Europa-Abgeordnete Rebecca Harms am Samstag (25.11.2011) den Parteitags-Delegierten in Kiel zu. Die Grünen-Politikerin stand zusammen mit anderen Atomkraftgegnern auf einem Feld im niedersächsischen Gorleben und war per Video-Schalte mit ihren Parteifreunden verbunden. Harms hatte den Parteitag in Kiel vorzeitig verlassen, um in Gorleben zu demonstrieren. Viele Grüne werden ihr im Verlauf des Wochenendes folgen.

Der Kampf gegen Gorleben als Standort für ein nationales Atommüll-Endlager ist ein Herzensthema für die Partei. Der Salzstock in Gorleben wird seit den 1980er-Jahren erforscht, gilt unter vielen Experten aber als ungeeignet für hochradioaktive Abfälle. Der Widerstand der Anwohner ist massiv.

Endlager-Suche in ganz Deutschland

In einem neuen Anlauf soll nun in der ganzen Bundesrepublik nach Standorten gesucht werden, auch in Baden-Württemberg. Das ist deswegen bemerkenswert, weil dort seit einem halben Jahr Winfried Kretschmann regiert, der erste grüne Ministerpräsident Deutschlands. Nüchtern erklärte der 63-Jährige den Delegierten, dass es auch in seinem Bundesland geeignete geologische Formationen für ein nationales Endlager gebe. Auch diese kämen selbstverständlich in Frage.

Natürlich habe er mit diesem Angebot keine Hurra-Rufe in Baden-Württemberg ausgelöst. "Aber es geht nicht um Geografie, sondern um Geologie", argumentierte Kretschmann, der für sein Wirken als Landesvater bisher viel Zustimmung bekommt. "Das einzige Kriterium kann sein: Was ist der sicherste Standort? Und da kommt das Endlager dann hin!"

Gorleben bleibt eine Option

Polizeifahrzeuge fahren durch Gorleben (Foto: dpa)
Gorleben ist für Kretschmann eine Option unter mehreren für ein Atommüll-EndlagerBild: picture-alliance/dpa

Dafür bekam Kretschmann viel Applaus, obwohl das im Umkehrschluss heißt, dass auch Gorleben noch im Rennen ist. Diesen Standort halten viele Grüne aber für ökologisch unvertretbar und politisch verbrannt. Kretschmann argumentierte, dass eine ergebnisoffene Suche nicht funktioniere, wenn Gorleben von vorneherein ausgeschlossen werde. "Aber wir dürfen keine Alibi-Veranstaltung machen und am Ende landet der Müll doch in Gorleben", betonte Kretschmann, der stets auf Ausgleich bedacht ist. "Das Allerwichtigste ist, dass niemand aus dem Suchprozess aussteigt."

Auch in der Wirtschaftspolitik mahnte der baden-württembergische Ministerpräsident einen pragmatischen Kurs seiner Partei an, die 2013 im Bund wieder mitregieren will. Es sei wichtig, bei den Steuererhöhungen nicht zu übertreiben. Die Grünen diskutieren auf ihrem Parteitag über eine deutliche Anhebung des Spitzensteuersatzes und weitere Steuern. Die Wirtschaft brauche Planungssicherheit und Vertrauen in die Politik. "Wir dürfen nicht in eine Steuererhöhungsorgie verfallen", rief Kretschmann den Delegierten zu. "Lasst uns da bitte auf dem Teppich bleiben."

Autorin: Nina Werkhäuser, zurzeit Kiel
Redaktion: Martin Schrader