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Krankenhäuser in Not

Heimo Fischer21. November 2013

Mehr als die Hälfte der deutschen Kliniken schreibt Verluste. Die Krankenhäuser fordern deshalb mehr Geld. Doch davon wollen die Kassen nichts wissen. Sie kritisieren vor allen Dingen schlechtes Management.

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Ein Krankenpfleger geht über einen Krankenhausflur (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Für das kleine Krankenhaus Salzhausen gibt es wenig Hoffnung. Die Klinik in der norddeutschen Kleinstadt machte jedes Jahr aufs Neue mehr als 600.000 Euro Verlust – bis das Geld endgültig ausging. Seit dem Frühherbst 2013 ist das Haus zahlungsunfähig. Zwar geht der Betrieb weiter, doch unklar ist, wie lange noch. Insolvenzverwalter Jan Ockelmann führt den Zusammenbruch des Krankenhauses auch auf Managementfehler zurück. Er räumt aber ein, dass es die Klinik doppelt schwer hatte. Denn der finanzielle Druck auf die mehr als 2000 deutschen Krankenhäuser verschärft sich seit vielen Jahren.

Zu diesem Ergebnis kommt auch eine repräsentative Studie des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI). Demnach schrieben mehr als die Hälfte aller deutschen Kliniken im vergangenen Jahr rote Zahlen. 2011 waren es noch weniger als ein Drittel. "Das ist eine dramatische Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation", sagt Autor Karl Blum. Das DKI arbeitet für die Deutsche Krankenhausgesellschaft, steht also den Klinikbetreibern nahe.

Kleine Kliniken sind stärker betroffen

Die schlechtesten Ergebnisse erzielen in der Umfrage die kleinen Krankenhäuser mit weniger als 300 Betten. Fast 57 Prozent von ihnen arbeiten nicht profitabel. Für sie ist es besonders schwer, die laufenden Kosten auf möglichst viele Patienten umzulegen.

Forschungsleiter des Deutschen Krankenhausinstituts, Dr. Karl Blum Das Copyright liegt beim Deutschen Krankenhausinstitut
Karl Blum: Länder verletzen ihre ZahlungspflichtenBild: Deutsches Krankenhausinstitut

Doch selbst Kliniken, die mit Gewinn arbeiten, blicken in eine ungewisse Zukunft. Denn die Profite sprudeln schwächer. Mehr als 57 Prozent aller Krankenhäuser erzielten 2012 ein schwächeres Ergebnis als im Jahr zuvor. Kein Wunder, dass 53 Prozent der Geschäftsführer die wirtschaftliche Lage ihres Hauses als unbefriedigend bezeichnen.

Die Ergebnisse decken sich mit denen einer Studie des Rheinischen-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI). Im Juni hatten die Experten vor einer erhöhten Insolvenzrate deutscher Kliniken gewarnt. Im Jahr 2011 seien 13 Prozent der Krankenhäuser in Gefahr gewesen, 2020 könnten es bereits 19 Prozent sein.

Um den Kliniken zu helfen, beschloss die Bundesregierung im vergangenen April ein Hilfspaket. Dieses und kommendes Jahr erhalten die deutschen Krankenhäuser eine Geldspritze von insgesamt 1,1 Milliarden Euro. Angesichts wachsender Fehlbeträge sieht Experte Blum darin aber keine große Hilfe. "Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein."

Scharfe Kritik an den Bundesländern

Eine Ursache für die missliche Lage seien steigende Personalkosten, sagt Blum: "Wir haben seit Jahren das Problem einer Tarifschere." Die Kosten für Löhne und Gehälter in den Kliniken würden schneller steigen als die zwischen Kliniken und Krankenversicherungen ausgehandelten Preise. Diese so genannten Fallpauschalen richten sich nach Krankheitsart und durchgeführter Behandlung. Sie werden jedes Jahr mit einem komplizierten Verfahren neu fest gelegt.

Eine Patientenliege steht auf einem Flur im Universitätsklinikum der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern), aufgenommen am 05.07.2013. (c) dpa - Bildfunk+++
Kliniken leiden unter einem InvestitionsstauBild: picture-alliance/dpa

Als weiteren Grund für die desolate Lage der Kliniken sieht Blum die hohen Ausgaben für Gebäude, Einrichtung und Technik in den Krankenhäusern. Die Bundesländer seien in Deutschland verpflichtet, für diese wichtigen Investitionen zu zahlen. Doch das sei nicht der Fall. "Die Bundesländer kommen ihrer Verpflichtung seit Jahrzehnten nur unzureichend nach." Sein Institut habe in Studien festgestellt, dass mittlerweile nur noch die Hälfte der in Kliniken getätigten Investitionen von den Ländern finanziert werde. Den größten Teil müssten die Krankenhäuser aus eigener Tasche oder mit gepumptem Geld zahlen. Das RWI schätzte im Juni, dass sich in deutschen Kliniken Investitionen von 15 Milliarden Euro aufgestaut haben.

Die gesetzlichen Krankenkassen, die für den Großteil der Behandlungskosten aufkommen müssen, sehen die Schuld für finanzielle Engpässe vor allem bei den Kliniken selbst. Oft würde unwirtschaftlich gearbeitet. "Das Problem ist, dass wir in Deutschland große Überkapazitäten haben", sagt Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbands, der die gesetzlichen Krankenkassen vertritt. "Jedes 5. Krankenhausbett steht leer." Das treibe die Kosten in die Höhe.

Längere Anfahrtswege in ländlichen Gebieten

Die Kliniken würden außerdem zu viele unnötige Ausgaben verursachen, dadurch würde Geld an anderer Stelle fehlen. "Wir haben in Deutschland das Problem, dass zu viel operiert wird." Der medizinische Nutzen viele Operationen sei fragwürdig, sagt Lanz.

Von einem Kliniksterben, das die Versorgung der Bevölkerung flächendeckend gefährde, geht allerdings keiner der beiden Experten aus. Zwar ist die Zahl der Krankenhäuser laut GKV in Deutschland von 2166 im Jahr 2004 auf heute 2045 gesunken. Das sei aber vor allem auf den Zusammenschluß von Kliniken zurückzuführen, sagt Lanz. Die Zahl der Betten habe sich kaum geändert. Wenn eine Klinik schließe, würden die fehlenden Plätze also schnell von einem anderen Krankenhaus angeboten.

Florian Lanz (Pressesprecher GKV-Spitzenverband), WDR/ARD, 22.10.2013. .
Kritisiert überflüssige Operationen: Florian LanzBild: picture alliance/Sven Simon

Für Blum wäre es allerdings vorstellbar, dass in ländlichen Gebieten der deutschen Bundesländer Niedersachsen, Bayern oder Brandenburg die Bewohner künftig längere Anfahrtswege zu einem Krankenhaus in Kauf nehmen müssen. Dieses Schicksal erwartet womöglich auch die bisherigen Patienten der kleinen Klinik in Salzhausen.