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Politik

Korruptionsskandal verstärkt Sorge um EU

12. Dezember 2022

Europäische Politiker fordern angesichts der unschönen Geschehnisse um Parlaments-Vizepräsidentin Eva Kaili nun größtmögliche Aufklärung. Doch auch die wirtschaftlichen Beziehungen mit Katar werden hinterfragt.

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Belgien Europäische Kommission | Ursula von der Leyen
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte ein Ethikgremium für alle EU-InstitutionenBild: Virginia Mayo/AP Photo/picture alliance

Nach den Ermittlungen der belgischen Behörden in einem mutmaßlichen Korruptionsskandal im Europäischen Parlament haben sich führende Politiker besorgt über den Imageschaden für die EU geäußert. 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich besorgt über die Vorgänge und sprach sich für Konsequenzen aus. Sie nannte die Vorwürfe gegenüber Vize-Parlamentspräsidentin Eva Kaili "sehr schwerwiegend". 

"Meiner Meinung nach wäre es richtig, dass wir ein Ethikgremium einrichten", wie es die EU-Kommission bereits habe, sagte sie. Unabhängigkeit und Integrität innerhalb der EU müssten "die höchsten Standards" haben. 

Auf die Frage nach einer möglichen Verwicklung ihrer EU-Kommission in den Skandal antwortete von der Leyen ausweichend.  "Wir haben sehr klare Regeln für alle Kommissare und schauen uns das an", sagte sie.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell
Bundesaußenministerin Baerbock (hier mit dem EU-Außenbeauftragten Borrell) spricht von einem "unglaublichen Vorfall" Bild: Janine Schmitz/photothek/picture alliance

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sprach vor einem Treffen mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus den anderen EU-Staaten in Brüssel von einem "unglaublichen Vorfall". "Der muss jetzt ohne Wenn und Aber aufgeklärt werden, mit der vollen Härte des Gesetzes." Es gehe hier um die Glaubwürdigkeit Europas.

Geld für EU-Entscheidungen zugunsten Katars  

Der irische Außenminister Simon Coveney sprach von einem "schädlichen Vorgang". Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell wiederum nannte die Vorwürfe "sehr besorgniserregend". Es gebe jedoch bislang keine Hinweise auf eine Verwicklung von EU-Diplomaten in den Skandal. Niemand aus dem Auswärtigen Dienst oder den EU-Vertretungen im Ausland werde im Zusammenhang mit den Geschehnissen genannt.

Eva Kaili, eine stellvertretende Präsidentin des Europaparlaments, muss vorerst in U-Haft bleiben
Eva Kaili, eine stellvertretende Präsidentin des Europaparlaments, muss vorerst in U-Haft bleiben Bild: EP/REUTERS

Im Mittelpunkt des Skandals steht die festgenommene Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili (44). Bei den Vorwürfen soll es um mögliche Korruptionsversuche Katars gehen. Kaili steht unter Verdacht, dass sie beträchtliche Geldsummen kassiert hat, damit sie für das WM-Gastgeberland Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt. So wird derzeit beispielsweise auf EU-Ebene in Erwägung gezogen, die Visa-Regeln für Staatsbürger von Katar zu erleichtern. Der Golfstaat, über den Kaili sich mehrfach lobend geäußert hatte, wies Vorwürfe von Korruption scharf zurück.

Interne Untersuchung im EU-Parlament 

Die Präsidentin des EU-Parlaments, Roberta Metsola, kündigte eine interne Untersuchung an. Der Fall sei gleichbedeutend mit einem "Angriff auf die europäische Demokratie", sagte Metsola in Straßburg. Es werde keine Straffreiheit geben. "Nichts wird unter den Teppich gekehrt.". Es werde eine interne Untersuchung geben, "die alle mit dem Parlament zusammenhängenden Vorgänge untersucht". Im Zuge der Untersuchungen sei eine Reform der Parlamentsarbeit anzustreben, so die Präsidentin.

Polizei durchsucht Büros

Derweil durchsuchte die belgische Polizei am Montag Räumlichkeiten des EU-Parlaments in Brüssel, wie die belgische Bundesstaatsanwaltschaft mitteilte. Dabei seien Daten von Computern von zehn parlamentarischen Mitarbeitern beschlagnahmt worden. Die Computer seien seit Freitag "eingefroren" worden, um zu verhindern, dass für die Ermittlung benötigte Daten verschwinden können. Es hätten auch Razzien am Sonntag in Italien stattgefunden, hieß es.

Soll der Westen das "korrupte Regime am Golf" weiter unterstützen? 

Der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke verlangte von der Bundesregierung eine Überprüfung der Gas-Lieferverträge mit Katar. "Wir müssen uns die Frage stellen, ob der Westen mit seinen Milliarden Euro für Gaskäufe dieses korrupte Regime am Golf weiter unterstützen will, oder ob die Geschäftsbeziehungen aufgrund der aktuellen Situation nicht besser eingefroren werden", erklärte Radtke.

Bundeskanzler Olaf Scholz und Katars Emir Tamim bin Hamad Al Thani am 25. September in Abu Dhabi
Bundeskanzler Olaf Scholz und Katars Emir Tamim bin Hamad Al Thani am 25. September in Abu Dhabi Bild: Qatar News Agency/AP/picture alliance

Katar hatte Ende November verkündet, ab 2026 jährlich bis zu zwei Millionen Tonnen Flüssiggas (LNG) nach Deutschland zu liefern. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte Katar im Frühjahr besucht und politische Rahmengespräche geführt. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach dann bei seinem Besuch in Katar im September von Fortschritten bei den Verhandlungen über Flüssiggas-Lieferungen.

Die Behörden ihres Heimatlandes Griechenland froren inzwischen sämtliche Vermögenswerte Kailis ein. Betroffen seien "Bankkonten, Schließfächer, Firmen und alle anderen Vermögenswerte", teilte der Leiter der griechischen Anti-Geldwäsche-Behörde, Haralambos Vourliotis, mit. Die Maßnahme gelte auch für Kailis Angehörige.

Belgische Ermittler hatten in den vergangenen Tagen 16 Häuser in Brüssel durchsucht und 600.000 Euro Bargeld beschlagnahmt. Vier Personen wurden inzwischen angeklagt und zwei wieder freigelassen, teilte die Staatsanwaltschaft am Sonntag in einer Erklärung mit. Kaili, die weiter inhaftiert bleibt, wurde umgehend aus der Pasok-Partei der griechischen Sozialisten ausgeschlossen.

sti/pg (afp, dpa, rtr)