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Politik

Rumäniens Präsident ermahnt sein Land

Barbara Wesel
23. Oktober 2018

Rumäniens Präsident Klaus Iohannis beschwört die Zukunft seines Land im Schengenraum und im Euro. Die Kritik an der Regierung in Bukarest aber wird schärfer, weil sie zunehmend die Rechtstaatlichkeit untergräbt.

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Rumänischer Präsident Klaus Iohannis im Europaparlament
Einsamer Mahner im Europaparlament: Rumäniens Präsident Klaus IohannisBild: DW/C. Ștefănescu

Es ist Zufall, dass Rumäniens Präsident Klaus Iohannis gerade jetzt an der Reihe ist, seine Ideen von der Zukunft der EU im Europaparlament zu vorzutragen. Denn am 1. Januar 2019 wird sein Land turnusgemäß die Präsidentschaft des Europäischen Rates übernehmen und damit Einfluss auf die Tagesordnung und den Fortschritt bei vielen strittigen Themen gewinnen. Gleichzeitig wächst die Kritik an der Regierung in Bukarest, weil sie die Arbeit der Anti-Korruptionsbehörde untergräbt und durch Gesetzesänderungen die Korruptionsbekämpfung weiter erschwert. Die EU befürchtet, dass nach Ungarn und Polen ein weiteres Land die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit verlässt. Aber der Präsident, der politisch der Opposition nahe steht, ist nicht das Problem Rumäniens, er gehört eher zu den Lösungen.

Balanceakt des Präsidenten

Klaus Iohannis redet mit Überzeugung von Solidarität in Europa, gemeinsamen Werten und Rechtstaatlichkeit, von der Angleichung der Lebensverhältnisse, die für sein Land so wichtig ist, das immer noch am unteren Ende der EU-Wirtschaftsentwicklung steht. Und er fordert die baldige Aufnahme in den Schengenraum, das Europa der offenen Grenzen. Auch den Beitritt zum Euro hält Iohannis in der näheren Zukunft für möglich, sobald Rumänien die Kriterien erfülle.

Dieser Hoffnung auf eine weitere Integration des Landes in die EU steht aber der Streit mit Brüssel über die zunehmende Abkehr der Regierung in Bukarest von demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entgegen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wird da ganz deutlich: "Die Rechtsstaatlichkeit muss immer respektiert werden. Rumänien soll vor Ende 2018 einen nationalen Konsens über den Kampf gegen die Korruption erzielen." Ohne den sei ein Beitritt zur Schengen-Zone unmöglich, auch wenn er ihn im Prinzip befürworte.

Rumänien Polizei geht gegen Demonstranten vor
10. August 2018: Eine von vielen Demonstrationen gegen die Bukarester RegierungBild: picture-alliance/AP Photo/A. Alexandru

Iohannis verweist da auf die die Rumänen, die stolz auf ihr Land seien und gleichzeitig stolze Bürger Europas. 65 Prozent der Einwohner, so zeigt eine Umfrage, bekennen sich zur EU-Mitgliedschaft und sehen sie positiv. Aber, so räumt Klaus Iohannis ein, "wir sind eine junge Demokratie, die verbessert werden kann". Die Bürger hätten den Willen und die Kraft dazu, vor allem wenn es um die Rechtstaatlichkeit gehe - wohl ein Hinweis des Präsidenten auf die Massendemonstrationen in Bukarest gegen die Regierung, die allerdings ohne Folgen blieben. 

Harte Kritik an Bukarest

Der rumänische Präsident muss Kritik an der jüngsten Entwicklung seines Landes von allen Seiten entgegen nehmen. Der Fraktionsvorsitzende der EVP Manfred Weber ist da noch relativ milde: Korruption sei ein Problem in mehreren EU-Ländern, aber sie sei "auch ein Problem Rumäniens. Die Regierung muss die Richtung wechseln. Sie hat mehrere rote Linien überschritten".

Der Vorsitzende der Fraktion der liberalen Parteien im EU-Parlament wird da noch deutlicher. Er mache sich Sorgen um Rumänien, sagt Guy Verhofstadt: "Zweifelhafte Reformen der Justiz gefährden deren Unabhängigkeit. Veränderungen im Strafrecht schwächen den Kampf gegen die Korruption." Und Verhofstadt richtet ein Plädoyer an den rumänischen Präsidenten: "Folgen Sie nicht dem Beispiel Ungarns oder Polens, bitte gehen Sie nicht den illiberalen Weg hin zu einer Autokratie".

Auch die Sozialdemokraten nennen die inneren Entwicklungen in Rumänien besorgniserregend und fordern den Präsidenten auf, sein Amt für die Einigung aller Rumänen auf dem demokratischen Weg einzusetzen.

Iohannis zwischen den Fronten

Das allerdings hat Klaus Iohannis bereits nach Kräften versucht. Er liegt seit ihrem Amtsantritt im Krieg mit der PSD-Regierung in Bukarest, die sich selbst zu den Sozialdemokraten zählt. Seine rechtlichen Möglichkeiten allerdings sind begrenzt. Zuletzt verlor er den Kampf um die Chefin der Nationalen Anti-Korruptionsbehörde Laura Kövesi, die er im Amt halten wollte. Nach monatelangen Auseinandersetzungen wurde sie im Sommer abgelöst und soll durch eine regierungstreue Juristin ersetzt werden. Für den Geschmack der Regierung war Kövesi zu aktiv bei der Strafverfolgung von amtierenden Politikern; unter anderem wurde auch dank ihrer Arbeit PSD-Parteichef Liviu Dragnea in erster Instanz wegen Amtsmissbrauchs zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Dagegen hat Dragnea Berufung eingelegt. In einem früheren Prozess war er schon einmal rechtskräftig wegen Wahlmanipulation verurteilt worden und darf deshalb nicht Regierungschef werden. Ein drittes Verfahren wegen der Veruntreuung von 21 Millionen in EU-Geldern steht noch an.

Rumänien - Pro-Regierungsproteste in Bukarest - Protest gegen Justiz
Proteste, diesmal für die Regierung: Nach der Verurteilung von PSD-Parteichef Dragnea im Juni 2018Bild: Getty Imags/AFP/D. Mihailescu

Die politische Auseinandersetzung in Rumänien nahm zuletzt auch den Präsidenten selbst ins Visier. Im August startete die PSD eine Verleumdungskampagne gegen Klaus Iohannis, der der deutschstämmigen Minderheit in Rumänien angehört, und ließ ihn im Internet unter anderem mit Nazi-Anspielungen als bösen Deutschen denunzieren. Gleichzeitig versucht sie, den lästigen Kritiker durch ein Amtsenthebungsverfahren wegen Hochverrats los zu werden.

Iohannis, der lange Bürgermeister von Sibiu (Hermannstadt) war, gehört seit dem Sturz des kommunistischen Diktators Ceauscescu 1990 zur Demokratiebewegung in Rumänien und ist seit 2014 Staatspräsident. In ihm personifiziert sich das Problem, das die EU inzwischen mit dem Mitgliedsland hat: Die demokratischen Kräfte werden zunehmend durch eine Regierung unterdrückt, die ihre Macht und den Zugriff auf EU-Gelder mit allen Mitteln verteidigt. Der offene Konflikt zwischen Brüssel und Bukarest wird kaum gelöst werden, bis Rumänien am 1. Januar 2019 die Ratspräsidentschaft übernimmt. Dann könnte es peinliche Situationen geben, wenn die Vorsitzenden der Ministertreffen gleichzeitig wegen ihrer eigenen Verstöße gegen europäische Grundsätze kritisiert werden.