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Angriffe gegen Roma

Kirstin Hausen28. Mai 2008

Die Fremdenfeindlichkeit in Italien eskaliert. Grund: ein neues Gesetz gegen vermeintlich kriminelle und illegale Ausländer – vor allem gegen die Roma. Ihre illegal gebauten Wohnungen können sogar abgerissen werden.

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Eine Roma-Familie, die in Bulgarien unter freiem Himmel lebt (2002/AP)
Auch ohne Dach über dem Kopf, aber freiwillig: eine Roma-Familie in BulgarienBild: AP

Der neue italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi macht mit einem neuen Gesetz Front gegen die Roma. Ende letzter Woche hat Berlusconis Regierung ein so genanntes "Sicherheitspaket" verabschiedet, das ganz klar trennt zwischen Italienern und illegalen Einwanderern. Die Haftstrafen für Illegale fallen um ein Drittel höher aus als für Italiener und Mietwohnungen von illegalen Einwanderern können jetzt zudem beschlagnahmt werden.

Sie haben alles verloren

Vier Zelte und ein altersschwacher Wohnwagen sind alles, was sie noch haben. Hier, neben der Autobahn im nördlichen Industriegebiet von Mailand, leben mehrere Roma-Familien ohne Strom und fließend Wasser. Ihre illegal gebauten Wellblechbaracken hat die Polizei abgerissen. Eine Frau in abgetretenen Stiefeln beteuert: "Ich weiß nicht warum, wir haben alles sauber und ordentlich gehalten. Wir haben doch niemanden belästigt."

Italiens Premier Silvio Berlusconi beantwortet die Fragen von Journalisten während einer Pressekonferenz (11.04.2006/dpa)
Italiens Premier Berlusconi geht rigoros gegen die illegalen Einwanderer vorBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Die Italiener, die in der Nähe des abgerissenen Camps wohnen, haben andere Erfahrungen gemacht. Ein älterer Mann erzählt, dass die Frau aus dem Haus Nummer 13 bestohlen wurde, als sie gerade ihre Haustür aufschloss. Seine Frau zeigt nur stumm in Richtung Spielplatz. Dort hätten sich die Jugendlichen des Camps abends immer getroffen. Im Sandkasten liegen Glasscherben, unter einem Baum leere Coladosen und Bierflaschen.

Kurz vor der Eskalation

"Bei sich zuhause können sie sich so benehmen, hier nicht", sagt ein zorniger Nachbar. Denn wer nach Italien komme, solle gefälligst arbeiten und nicht nur Ansprüche stellen. Die Stimmung ist gereizt: Der Konflikt zwischen Italienern und Roma-Angehörigen aus Rumänien und verschiedenen Balkanländern hat sich in den vergangenen Wochen zugespitzt.

In Mailand leben nach Schätzungen des Stadtrats 10.000 Roma. 1900 von ihnen stehen nach Auskunft des Vizebürgermeister Riccardo de Corrato auf einer Abschiebe-Liste. Doch der Polizeipräsident von Mailand bremst: Die Hälfte der betroffenen Roma besitze die italienische Staatsangehörigkeit und könne gar nicht abgeschoben werden. Widersprüchliche Informationen liefert auch die Provinzregierung. Nur eines ist sicher: Die Roma sollen verschwinden und künftig gar nicht erst das Stadtgebiet betreten dürfen.

Integrieren statt ausweisen?

Die Bürgermeisterin Mailands Letizia Moratti in ihrem Büro (01.02.2008/AP)
Die Mailänder Bürgermeisterin Letizia MorattiBild: AP

Mailands Bürgermeisterin Letizia Moratti erklärt diplomatisch, dass nach einer Lösung gesucht werde. "Wir müssen allein denjenigen den Aufenthalt auf unserem Stadtgebiet, oder weiter gedacht in der Lombardei, gestatten, für die wir eine Unterkunft und einen Arbeitsplatz haben." Die Opposition warnt vor einem Konflikt mit der Europäischen Union im Falle von Massenausweisungen und lädt den Stadtrat ein, den harten Kurs zu überdenken.

Auch Kirchenvertreter kritisieren das Vorgehen. Was Mailand brauche, "ist ein Klima der Chancengleichheit", sagt der Priester Don Virginio Colmegna. Er betreut 580 Roma, die in Wohncontainern im östlichen Stadtrandbezirk Lambrate leben und dank Alphabetisierungskursen und Ausbildungsmaßnahmen gesellschaftlich eingegliedert werden sollen.

Unkontrollierte Gewalt – und noch kein Ende in Sicht

Das Projekt des Priesters Colmegna ist eines von wenigen Integrationsprojekten in Italien. Die Regierung setzt im Moment vor allem auf Repression. Der Konflikt um die Roma-Siedlungen in Mailand ist exemplarisch. In Neapel haben wütende Anwohner vor einigen Tagen eine Barackensiedlung in Brand gesteckt, Hunderte von Roma mussten von der Polizei in Sicherheit gebracht werden.

In Italiens Hauptstadt Rom kam es zu Anschlägen gegen drei Lebensmittelläden und Fotokopiergeschäfte von Einwanderern. Menschen kamen nicht zu Schaden. Aber das ist nur eine Frage der Zeit, warnt Antonio di Pietro, Chef der Oppositionspartei "Italien der Werte": "Die Verantwortung dafür tragen auch die, die dieses Klima erzeugen."

Wer ist Schuld an der fremdenfeindlichen Stimmung?

Di Pietros Worte: Ein Seitenhieb auf die Politiker der Regierungsparteien "Lega Nord" und "Nationale Allianz", die im Wahlkampf scharfe Töne gegen Immigranten benutzt hatten. Die Regierung will an ihrem harten Kurs festhalten und Einwanderer ohne Papiere bis zu ihrer Abschiebung in Auffanglagern internieren. Die bestehenden Strukturen reichen dafür nicht aus, neue müssen her, sagt Innenminister Roberto Maroni und er kündigt auch Kontrollen in den Roma-Siedlungen an.

"Wir werden die Siedlungen zählen und alle, die dort leben und dann überprüfen, wer ein Bleiberecht hat und wer nicht", so Maroni. Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano hat das Regierungsdekret für mehr Sicherheit, zwar unterzeichnet, aber auch zur Mäßigung aufgerufen. Ob das Vorhaben der Regierung, künftig die illegale Einreise als Straftat zu ahnden, im Parlament eine Mehrheit finden wird, ist noch ungewiss.