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Kompromisse für einen Atomdeal

Hans Spross25. Mai 2012

Der diplomatische Poker um das iranische Atomprogramm geht weiter, das nächste Treffen ist in Moskau für Mitte Juni geplant. In Bagdad wurden aber schon die Positionen abgesteckt.

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Iranische und internationale Delegationen bei Atomgesprächen in Bagdad (Foto: Reuters)
Bild: REUTERS/Government Spokesman Office/

Gibt es also nur wieder neue Gespräche über Gespräche? Ganz so ist es nicht. So sagte Irans Chefunterhändler Saeed Jalili zum Abschluss, das Ergebnis sei gewesen, dass "beide Seiten nun besser die Positionen der jeweils anderen Seite verstehen". Catherine Ashton war Verhandlungsführerin der anderen Seite, der "5 plus 1": der fünf Ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats USA, Russland und China, Großbritannien und Frankreich sowie Deutschland. Sie betonte, es sei "klar, dass beide Seiten Fortschritt wollen, und dass es gewisse Gemeinsamkeiten gibt".

Iran-Experte Walter Posch von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik wagt "eine vorsichtig positive Interpretation der Ashton'schen Aussage": Offenbar glaubten beide Seiten, dass die jeweils andere an einer echten Lösung interessiert ist. "Ein echte Lösung bedeutet eben auch, Kompromisse zu machen, und da ist sich die '5 plus 1'-Gruppe sicher, in der stärkeren Position zu sein."

Iran in geschwächter Position

Der Iran habe in den vergangenen Jahren leichtfertig interessante Angebote der EU und des Westens in den Wind geschlagen, etwa beim Austausch und der Überwachung von Uran-Vorräten, so Posch. Jetzt zeigten die EU und die ständigen Sicherheitsratsmitglieder Stärke und Einigkeit. Der Iran habe bisher deren Geduld mit Schwäche verwechselt: "Vor allem die iranische Seite muss jetzt noch einmal kräftig über den eigenen Schatten springen. Denn die Iraner haben sich auf ein Machtspiel eingelassen, das sie nicht gewinnen können. Solange das '5 plus 1'-Format so zusammenhält, wie es das jetzt tut, glaube ich nicht, dass es den Iranern irgendwie gelingen wird, den Verhandlungen einseitig ihre Vorstellungen aufzudrücken."

Catherine Ashton und Saeed Jalili (Foto: Reuters)
Catherine Ashton und Saeed Jalili suchen den Kompromiss, aber nicht um jeden PreisBild: Reuters

Sanktionen stehen nicht zur Disposition

Andererseits können auch die "5 plus 1" nicht einfach ihre Forderungen diktieren, wenn sie ein Scheitern der Gespräche vermeiden wollen. Die Hauptforderung Teherans, nämlich eine Suspendierung oder gar eine Rücknahme der Sanktionen, ist aber für den Westen praktisch gar nicht zu erfüllen. Denn, so Mehrdad Emadi, in London tätiger Berater und Experte für die Iran-Politik der EU: "Die EU-Sanktionen sind sechs bis sieben Jahre vorbereitet worden, ein langwieriger juristischer Prozess, und deswegen kann man sie auch nicht von heute auf morgen aufheben."

Fotografen und Diplomaten beim Bagdader Trffen (Foto: ISNA)
Große Erwartungen, kleine SchritteBild: ISNA

Nach Ansicht von Posch sind beide Seiten mit Maximalforderungen nach Bagdad gereist, grob gesprochen: Einstellung der Uran-Anreicherung gegen Stopp der Sanktionen. Es sei aber beiden Seiten klar gewesen, dass solche Positionen in dieser Härte nicht umsetzbar sind. Andere Beobachter vermuten sogar einen "eingeplanten Fehlschlag", denn die Kontrahenten wüssten, dass noch etwas Zeit sei, bevor die erweiterten Sanktionen der EU im Juli in Kraft träten.

Die 20-Prozent-Frage

Wie könnte also ein Fortschritt in Moskau im Juni aussehen? Die Gespräche in Bagdad drehten sich vor allem um das auf knapp 20 Prozent angereicherte Uran. Von dort ist es nicht mehr weit zu dem Grad der Anreicherung, der für den Atombombenbau notwendig ist. Teheran produziert dieses Uran in einer tiefen unterirdischen Bunkeranklage, nach seinen Angaben für zivile Zwecke. Laut Mehrdad Emadi wurde dem Iran in Bagdad in Aussicht gestellt, dass es bei einem Stopp der 20-prozentigen Anreicherung garantierte Ersatzlieferungen erhalten werde.

Iranische Uran-Zentrifugen und Ahmadineschad (Foto: AP)
Irans Stolz: Die eigene UrananreicherungBild: AP

Dennoch zeigte der Iran kein Entgegenkommen. Dazu Walter Posch: "Dieser erste Schritt, den man von den Iranern verlangt, ist jetzt sozusagen zum Knackpunkt geworden. Das Einstellen der Anreicherung hat ja auch eine wichtige symbolische Bedeutung, die von der möglichen oder befürchteten militärischen Dimension wegführt. Da geht es auch darum, die zivilen Aspekte des Nuklearprogramms zurückzuholen, also der Nukleartechnologie, die der Iran sich selbsttätig erarbeitet hat." Darin liegt laut Posch ein großes Problem, denn der Stolz auf den eigenen technischen Fortschritt sei für die Iraner entscheidend.

Kunst der Diplomatie

Ali Bagheri, Mitglied der iranischen Verhandlungsdelegation und enger Vertrauter des religiösen Führers Ali Chamenei, sagte zur Frage des 20-prozentig angereicherten Urans nach den Bagdader Gesprächen nur soviel: "Nach den Regelungen des Atomwaffensperrvertrags (NPT) ist die Urananreicherung das Recht jedes Landes. Und in Istanbul hat unser Gegenüber bestätigt, dass es die iranischen Rechte zum Atomprogramm im Rahmen des NPT offiziell anerkennt."

Beide Positionen werden von Catherine Ashton in der diplomatischen Formulierung verpackt, der Iran habe "sich bereit erklärt, die Frage der Anreicherung auf 20 Prozent anzugehen und seinen eigenen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt, darunter auch die Forderung, dass wir sein Recht auf (Uran-)Anreicherung anerkennen".

Atomdiplomatie irrelevant?

Dabei sei es relativ einfach, auf die Forderung der Iraner nach Geben und Nehmen einzugehen, sagt Mehrdad Emadi, nämlich im Bereich der Finanzsanktionen: "Wenn die EU und die USA sich verständigen könnten, iranischen Banken wieder Zugang zum Finanzdienstleiter SWIFT zu gewähren, würde das großen Druck von der iranischen Wirtschaft nehmen. Und es wäre ein wirksamer und preiswerter Schritt des Westens, der in Teheran auf Resonanz stoßen würde."

Für manche Experten wie den Amerikaner Henry Sokolski vom Nonproliferation Education Center in Washington, D.C., ist all dieses diplomatische Klein-Klein irrelevant: Erstens weil Irans Atomwaffe praktisch Realität sei oder zumindest in kurzer Zeit werden könne. Zweitens weil die Atomverhandlungen von der Bedrohung der regionalen Sicherheit durch das iranische Regime ablenken, ob mit oder ohne Atomwaffen. "Glaubt wirklich jemand im Ernst, dass wir in Moskau oder sonst wo eine substantielle Einigung erzielen werden? Es wird höchstens auf eine äußerst vage Einigung hinauslaufen, die nicht lange halten wird." Und was, wenn die Sanktionen doch Wirkung zeigen? "Vielleicht - aber ich vermute, dann gäbe es im Iran eine andere Regierung."