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Kommt die Antibabypille für den Mann?

24. März 2022

Anders als bei Frauen wirkt die Pille für den Mann nicht hormonell. Im Mäuseversuch war sie zu 99 Prozent wirksam. Noch in diesem Jahr soll sie an Menschen getestet werden.

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Antibabypille auf einem Finger
Die Pille für den Mann soll nicht hormonell wirken und die Spermienbildung drastisch reduzierenBild: Frank May/picture alliance

Seit Einführung der Antibabypille in den 1960er Jahren kümmern sich vor allem Frauen um die Verhütung. Für Männer gibt es nur Kondome und die Sterilisation als wirksame Verhütungsmethoden.

Das könnte sich in näherer Zukunft ändern, denn US-Forschende haben im Mäuseversuch erstmals erfolgreich eine Antibabypille für den Mann getestet.

Pille wirkt nicht hormonell

Die Pille für die Frau wirkt hormonell: Sie enthält als sogenanntes Kombinationspräparat häufig zwei Hormone: ein Östrogen und ein Gestagen. Diese Hormonkombination verhindert den Eisprung oder die Freisetzung einer Eizelle und damit die Schwangerschaft. Eine effektive, aber auch den Körper der Frauen stark belastende Verhütungsmethode.

Antibabypille
Die Pille für die Frau ist oftmals ein Kombinationspräparat und enthält zwei Hormone: ein Östrogen und ein GestagenBild: Jochen Tack/picture alliance

Bei der Entwicklung einer Antibabypille für den Mann dachten die Forschenden zunächst auch an eine hormonelle Methode, etwa indem das männliche Geschlechtshormon Testosteron ausgeschaltet wird. Das aber führte vereinzelt zu starken Nebenwirkungen wie Depressionen, Gewichtszunahme und einem erhöhten Risiko für Herzkrankheiten.

Deshalb erscheinen inzwischen nicht-hormonelle Wirkstoffe vielversprechender, weil sie gezielter wirken und weniger Nebenwirkungen verursachen sollen.

Spermienbildung drastisch reduziert

Für die Spermienbildung (Spermatogenese) ist vor allem das Vitamin A verantwortlich. Das jetzt zunächst nur im Mäuseversuch erfolgreiche Mittel YCT529 dockt an den Retinsäure-Rezeptor alpha (RAR-α) des Proteins an.

Mit deutlichem Erfolg: Nachdem den Mäusen das Mittel YCT529 vier Wochen lang oral verabreicht worden war, reduzierte sich die Spermienzahl signifikant und verhinderte zu 99 Prozent wirksam eine Schwangerschaft, heißt es in einer ersten Ankündigung. 

Und die spermienhemmende Wirkung ist reversibel: Vier bis sechs Wochen nach der Absetzung des Mittels waren die Mäuse wieder zeugungsfähig. Laut dem an der Studie beteiligten Doktoranden Abdullah Al Noman von der Universität von Minnesota seien keine Nebenwirkungen festgestellt worden.

Die Studienergebnisse wollen die Forschenden bei der Frühjahrstagung der Amerikanischen Chemischen Gesellschaft präsentieren. Und bereits im dritten oder vierten Quartal diesen Jahres sollen die klinischen Studien an Menschen starten.

Die an der Studie beteiligte Professorin Gunda Georg hält sogar eine Marktzulassung bereits in den kommenden fünf Jahren für möglich. "Es gibt keine Garantie, dass es klappt, aber ich wäre wirklich überrascht, sollten wir nicht auch bei Menschen eine Wirksamkeit feststellen“, so Georg.

Wirklich wirksam und sicher?

Ob YCT529 wirklich die Verhütung revolutionieren kann, ob es nicht nur im Tierversuch, sondern auch beim Mann wirksam und sicher funktioniert, das können nur die klinischen Tests zeigen. Denn der gehemmte Retinsäure-Rezeptor alpha (RAR-α) spielt nicht nur bei der Spermienbildung, sondern u.a. auch beim Zellwachstum eine zentrale Rolle.

In Expertenkreisen wurden die Studienergebnisse auch kritisch gesehen. Selbst wenn das US-Team bei den Mäuseversuchen keine Nebenwirkungen beobachtet hat, sei dies keine Garantie dafür, dass das Medikament auch beim Menschen sicher ist, so Richard Anderson von der Universität Edinburgh. "Wenn man ein Medikament entwickelt, das auf einen völlig neuen Signalweg abzielt, wäre es meiner Meinung nach angebracht, hinsichtlich der Sicherheit vorsichtig zu sein, wenn es keine Erfolgsbilanz auf diesem Gebiet gibt."

Skeptisch zeigte sich auch sein Kollege Richard Sharpe. Das Vitamin-A-Signalsystem spiele im Körper eben eine wichtige Rolle. "Ich halte es für unwahrscheinlich, dass ein Wirkstoff mit einer solchen Aktivität frei von Nebenwirkungen ist", so der Professor von der Universität Edinburgh.

Dass die Ergebnisse im Tierversuche nur bedingt auf den Menschen übertragbar sind, räumt auch die an der Studie beteiligte Professorin Gunda Georg ein: "Da sich nur schwer vorhersagen lässt, ob ein Wirkstoff, der in Tierversuchen gut aussieht, sich auch in Studien am Menschen bewähren wird, untersuchen wir derzeit auch andere Wirkstoffe."

Erklärtes Ziel sei es, Verbindungen der nächsten Generation zu identifizieren, damit es in Zukunft eben auch ein wirksames und sicheres Verhütungsmittel für Männer gibt.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund