1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zeit des Abschieds

DW Kommentarbild Sarah Wiertz
Sarah Wiertz
23. Dezember 2018

Mit Heiko Herrlich muss bei Bayer Leverkusen zur Winterpause der Trainer gehen - ein längst überfälliger Schritt. Doch dem Verein droht ein noch viel gravierenderer Weggang, meint DW-Redakteurin Sarah Wiertz.

https://p.dw.com/p/3AZZn
Heiko Herrlich und Rudi Völler
Bild: Imago/L. Perenyi

Seine Wunschliste hatte Rudi Völler bereits Anfang des Monats gemacht: "Bis Weihnachten hätte ich schon gerne, acht, neun Punkte." Damit stellte Leverkusens Geschäftsführer Sport seinem Trainer Heiko Herrlich ein Ultimatum, wohl wissend, dass mit Augsburg, Frankfurt, Schalke und Hertha keine leichten Gegner auf dem Programm standen. Vier Spieltage und drei Wochen später haben Herrlich und sein Team dem Verein neun Punkte schön verpackt unter den Weihnachtsbaum gelegt. Und trotzdem muss Herrlich gehen. Und zeitgleich wird ein neuer Trainer vorgestellt.

Diese kleine Anekdote offenbart - abgesehen von der Unglaubwürdigkeit Völlers - in welchem Dilemma Leverkusen, speziell der Ex-Sportdirektor, seit Wochen, nein, eigentlich schon seit anderthalb Jahren, steckt: Herrlich war eigentlich nie der Wunschtrainer, immer nur ein Trainer auf Zeit. "Es ist kein Geheimnis, dass wir schon vor anderthalb Jahren mit ihm in Kontakt waren", gibt Völler zu. Mit "ihm" ist Peter Bosz gemeint, der sich damals aber für Dortmund und gegen Leverkusen entschied.

Amtsmüde, genervt und angezählt

Als Herrlich in seiner ersten Saison als Chefcouch das Team auf den fünften Platz und damit in die Europa League führte und die Qualifikation für die Champions League nur wegen der Tordifferenz verpasste, setzte sich Völler - kein Freund von ständigen Trainerwechseln - dafür ein, den ehemaligen Bundesliga-Torschützenkönig und Leverkusener Profi weitermachen zu lassen. Ein Fehler, wie in der enttäuschenden Hinrunde deutlich wurde."Mittlerweile ist eine Stagnation in der Entwicklung des Teams nicht mehr zu leugnen", gesteht Völler ein.

Was ebenfalls nicht zu leugnen ist: Völler - das Gesicht von Bayer 04 Leverkusen als Profi (1994-1996) und als Sportdirektor (seit 2005 und seit Juli 2018 Geschäftsführer Sport) - wirkt amtsmüde, genervt und angezählt. Bei seinem absurden Fernsehinterview am vergangen Spieltag machte er sich und den Verein lächerlich. Der personelle Umbruch im Verein setzt ihm offenbar zu.

DW Kommentarbild Sarah Wiertz
DW-Redakteurin Sarah Wiertz

Zunächst kam im Frühjahr mit Fernando Carro ein neuer Geschäftsführer, dann übernahm überraschend Ex-Profi Simon Rolfes die Position des Sportdirektors, die kurzzeitig Völlers ehemaliger Assistent Jonas Boldt inne hatte, der angeblich aufgrund von Differenzen mit Carro den Verein demnächst verlässt. Auch im Vertrieb sowie im Marketing und Kommunikation werden demnächst neue Leute das Sagen haben.

"Bei mir ist es ja auch mal endlich", hatte der 58-jährige Völler bereits bei der Vorstellung von Rolfes gesagt und damit schon angedeutet, dass es einen Rückzug auf Raten geben könnte. Vermutlich könnte dies nun deutlich schneller gehen als ursprünglich angedacht. Womöglich wird es nach Herrlich bald einen weiteren Abschied bei Leverkusen geben - und der wäre viel gravierender als der jetzige.

DW Kommentarbild Sarah Wiertz
Sarah Wiertz Teamleiterin Sport Online