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Willkommen im Club, Deutschland!

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Max Hofmann
15. März 2016

Jetzt ist es offiziell: Deutsche sind genauso anfällig für rechtsgerichtete Parteien wie der Rest der EU. Wer wissen will, was als Nächstes passieren wird, muss nur nach Frankreich schauen, meint Max Hofmann.

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Frankreich Francois Hollende empfängt Angela Merkel
Angela Merkel und Francois Hollande bei ihrem Vorbereitungstreffen für den EU-Türkei-GipfelBild: Reuters/P. Wojazer

Deutschland ist ab sofort keine Ausnahme mehr. Über Jahrzehnte hinweg schien Europas größtes Land und wirtschaftliches Kraftzentrum immun zu sein gegen Rechtspopulisten vom Schlag des Front National in Frankreich. Während Fidesz in Ungarn und die Partei "Recht und Gerechtigkeit" in Polen die Regierung übernommen haben, die britische Regierung damit beschäftigt ist, UKIP zu bekämpfen und die FPÖ in Österreich schon seit Jahrzehnten mehr als 20 Prozent der Wählerstimmen bindet, schienen die meisten Deutschen weiterhin traditionellen Volksparteien wie der CDU zu folgen - ganz gleich was Kanzlerin Merkel eigentlich machte. Diese Tage sind nun vorüber.

Der Versuch, stark zu bleiben

Frankreich hat inzwischen die eine oder andere Erfahrung, was passiert, wenn eine rechte Partei dauerhaft mehr als 20 Prozent der Wähler gewinnt. Notwendig ist beispielsweise, dass die beiden großen Parteien - die Konservativen und die Sozialisten - sich gegenseitig dabei unterstützen, jeden Machtzuwachs des Front National zu verhindern. Was für den Wähler natürlich die Unterschiede zwischen diesen beiden etablierten Parteien verwischt. Die eigentlich einmal zwei gegensätzlichen Pole im politischen System waren. Doch nun geht es nicht mehr um Sachfragen, jetzt geht es nur noch darum, gegenüber dem Front National stark zu bleiben. Mit diesem gemeinsamen Vorgehen zerstören sie jedoch ihre eigene Basis. Es ist also ein regelrechter Demokratie-Killer.

Mag sein, dass die deutschen Wähler länger gebraucht haben als die französischen, aber nun haben sie das wahre rechte Potenzial offengelegt, besonders in einigen Regionen. Das ist ein weiterer Sargnagel, vielleicht der letzte und entscheidende, für eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise. Schauen wir noch einmal nach Frankreich: Präsident Francois Hollande hat sich geweigert, eine nennenswerte Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen, weil er nicht noch mehr Öl in das Feuer gießen wollte, dass der Front National zu diesem Thema bereits entzündet hat. Man darf erwarten, dass Angela Merkel nun genau das gleiche machen wird - auch wenn sie das so nicht sagen wird, weil sie damit allem zuwiderhandeln würde, wofür sie in den vergangenen Monaten gekämpft hat. Aber im Ergebnis wird genau das passieren.

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Max Hofmann leitet das DW-Studio Brüssel

Merkel steuert nach

Die deutsche Kanzlerin kann es sich nicht weiter leisten, Hunderttausende Migranten aufzunehmen und den Eindruck zu erwecken, sie halte unbeirrt an ihrer Politik der offenen Grenzen fest. Natürlich weiß sie das, und schon seit einiger Zeit glaubt man in Brüssel, dass sie nur noch behauptet, sie halte an ihrer bisherigen Linie fest. In Wirklichkeit steuert sie nämlich schon längst um. So kämpft sie mit aller Macht für ein Abkommen mit der Türkei in der Hoffnung, die Türken könnten den Flüchtlingsstrom aufhalten. Wenn das nicht gelingt, werden Europas Rechts-Populisten weiter von der Krise profitieren. Und genau das ist eine der größten Herausforderungen für die EU.

Angela Merkel hat inzwischen ihren Schwung und die Unterstützung auf der europäischen Bühne völlig verloren. Aber nach den Wahlen in den drei Bundesländern ist sie nun auch in Deutschland selbst deutlich geschwächt. Obwohl es nur Landtagswahlen waren, werden die Ergebnisse auch in Staaten wie Ungarn oder Polen, die schon seit Langem zu den Gegnern von Merkels Migrationspolitik zählen, aufmerksam registriert. Sie haben nun noch weniger Anlass, bei Fragen wie der Verteilung von Flüchtlingen in Europa zu kooperieren. Und so dürfte die einzige Unterstützung, die die Bundeskanzlerin in Zukunft erwarten kann, ein aufmunterndes Schulterklopfen des französischen Präsidenten sein, der ihr zuraunt: "Willkommen im Club!"

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