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Warum die paneuropäische EM 2020 eine gute Idee ist

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Mark Meadows
29. November 2019

Die UEFA hat mit der in zwölf verschiedenen Ländern stattfindenden EM 2020 hoch gepokert und viel Skepsis geerntet. Doch eine Verteilung auf mehrere Länder kann gut funktionieren, meint Mark Meadows.

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UEFA EM-Qualifikation | Deutschland vs. Nordirland | Fans Nordirland
Bild: Getty Images/Bongarts/L. Baron

Seit feststeht, dass die EM 2020 dezentral in insgesamt zwölf Ländern stattfinden wird, steht dieses Konzept der UEFA in der Kritik. Doch als die UEFA-Spitze um den damaligen Präsidenten Michel Platini diese Entscheidung im Jahr 2012 traf, gab es nur wenige brauchbare Alternativen. Die damaligen Rahmenbedingungen: Europa befand sich nach der durch den drohenden Staatsbankrott Griechenlands ausgelösten Schuldenkrise in einem Aufschwung. Trotzdem war die Bereitschaft zur Ausrichtung der EM 2020 gering, die meisten Verbände scheuten damals das damit verbundene finanzielle Risiko. Einzig die Türkei schien seinerzeit fest entschlossen, das Turnier ausrichten zu wollen. Doch in der UEFA befürchtete man, dass es zu einem Interessenkonflikt mit einer möglichen Olympia-Bewerbung der türkischen Metropole Istanbul für 2020 kommen könnte. 

Platini musste handeln

Euro 2020 Gastgeberwahl 19.09.2014 Genf Dyke und Platini
Vater der paneuropäischen EM 2020: Der damalige UEFA-Präsident Michel Platini (rechts)Bild: Reuters//Denis Balibouse

Was auch immer man von Platini, dem damaligen FIFA-Präsidenten Joseph S. Blatter und ihren dubiosen Praktiken halten mag - als UEFA-Präsident war Platini seinerzeit zum schnellen Handeln gezwungen, und genau das tat er. Da kam ihm das 60-jährige Jubiläum des EM-Wettbewerbs gerade gelegen. Die Idee der paneuropäischen EM in zwölf Ländern konnten Platini und der Verband so wunderbar als eine "Besonderheit zum Jubiläum" darstellen. Der wahre Grund hinter dieser Idee dürften allerdings die Kosten gewesen sein. 

Die Kostenverteilung der EM 2020 auf mehrere Verbände entlastet diese, nicht jedoch die Fans, die die Spiele ihrer Nationalmannschaften vor Ort verfolgen wollen. Das ist nicht gerade fanfreundlich. Auf der anderen Seite fliegen auch schon jetzt viele Tausende Fußballanhänger an jedem Spieltag von Champions und Europa League kreuz und quer durch Europa - und sind somit auch an die Kosten gewöhnt. 

Die Reise-EM

Doch die UEFA hätte bezüglich des Reiseaufwands für Fans auch mehr tun können. So hätte sie beispielsweise in der Luftfahrtbranche anregen können, dass es während der EM zwischen allen Spielorten Direktflüge geben solle. Abschreckendes Beispiel hätte das diesjährige "englische" Europa-League-Endspiel sein können. Fans der diesjährigen Finalisten FC Arsenal und FC Chelsea aus London hatten bis in Aserbaidschans Hauptstadt Baku reisen müssen - übrigens einer der EM-Spielorte 2020. 

Zumindest hat die UEFA den Auslosungsmodus für die Gruppenphase so geplant, dass jede Mannschaft in der Gruppe maximal zwei Spielorte hat. Die Teams aus den zwölf gastgebenden Ländern spielen definitiv während der Gruppenphase im eigenen Land, was die Gesamt-Reisebelastung ein wenig abfedert. 

Eine Frage der Perspektive

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"Die paneuropäische EM 2020 ist eine gute Idee", sagt DW-Sportredakteur Mark Meadows

Für Fans, die Gruppenspiele verschiedener Nationen sehen wollen und dafür beispielsweise von Kopenhagen nach Rom, dann nach Amsterdam und weiter nach Bilbao reisen müssen, mag das Ganze zwar reizvoll erscheinen, ist aber auch mit enormem Reiseaufwand und hohen-Kosten verbunden. Doch der europäische Flugmarkt mit einer Fülle an Billigfliegern und Direktverbindungen zwischen Tausenden von Städten dürfte den Kontinent zum einzigen auf der Welt machen, an dem ein Sportgroßereignis so überhaupt möglich ist. 

Verglichen mit der WM 2022, bei der ein Großteil des Turniers in und um eine einzige Stadt - Katars Hauptstadt Doha - stattfinden wird, wirkt die paneuropäische WM zwar gigantisch, doch letztlich bleibt Europa auch der kleinste aller Kontinente. Zieht man zum Beispiel die WM 2026, die in Kanada, Mexiko und den USA ausgetragen wird, als Vergleich heran, wirkt die EM 2020 schon wieder alles andere als weitläufig. Es ist eben alles eine Frage der Perspektive. 

Faktor Fanerlebnis 

Natürlich ist es unbestritten, dass sich die oft zitierte Turnieratmosphäre bei einem auf ein Land konzentrierten Turnier besser entfalten kann - man denke an die in Deutschland als "Sommermärchen" in die kollektive Erinnerung eingegangene WM 2006. 

Bei der EM 2012 waren die historischen Innenstädte aller Spielorte in Polen atemberaubend und die Stimmung bestens. Doch im Co-Gastgeberland Ukraine sah das auch ganz anders aus - nicht unbedingt schlechter, einfach anders. So ähnlich wird es 2020 auch werden. 

Showdown in London 

Meine Prognose: Die über den ganzen Kontinent verteilte EM 2020 wird den Kontinent mehr verbinden als jede andere Europameisterschaft zuvor, ehe dann der Showdown in der Hauptstadt des dann womöglich nicht mehr zur EU gehörenden Vereinigten Königreichs steigt. Man kann es als Ironie der Geschichte sehen, dass die Halbfinals und das Finale der ersten paneuropäischen EM ausgerechnet in London ausgetragen werden, dem Herzen Großbritanniens, das mit Kontinentaleuropa immer fremdelte. Aber diese Ironie muss ja nicht zynisch und bitter, sondern kann auch eine schöne sein. 

Und unabhängig von Brexit-Debatte & Co. - in der Finalwoche werden sich die Fans aus ganz Europa dann wieder "klassisch" an einem Spielort versammeln, die Straßen der Metropole säumen und gemeinsam dem großen Endspiel in Wembley, Europas zweitgrößtem Fußballstadion, entgegenfiebern. 

Die paneuropäische EM 2020 ist alles andere als der viel zitierte "Alptraum" - sie wird lustig, vielseitig und sportlich hoffentlich hochspannend. Spätestens mit der Auslosung am Samstag in Bukarest dürfte das europäische EM-Fieber deutlich ansteigen.