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Frappart ist ein Gewinn für den Fußball

Joscha Weber Bonn 9577
Joscha Weber
15. August 2019

Fußball? Männersache. Das galt für Jahrzehnte. Doch längst prägen Frauen den Fußball mit. Jetzt ist es an der Zeit, dass sie sichtbarer werden, kommentiert Joscha Weber. Das zeigt das Beispiel Stéphanie Frappart.

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UEFA Super Cup - Liverpool vs Chelsea
Sie blieb standhaft und lag richtig: Stéphanie Frappart leitete den Super Cup souveränBild: Reuters/J. Sibley

Aus vollem Lauf kommt Stéphanie Frappart an der Strafraumgrenze zum Stehen. Ihr grellgelbes Trikot hebt und senkt sich schnell durch ihre Atmung nach dem Sprint über das halbe Feld. Doch sie strahlt weder Müdigkeit noch Hektik aus, sondern Ruhe. Gerade hat sie ein Tor von Chelsea-Profi Christian Pulisic abgepfiffen. Es wäre das 2:0 für die Europa-League-Sieger im UEFA Super Cup gewesen und vielleicht schon so etwas wie eine Vorentscheidung kurz vor der Halbzeitpause. Doch Stéphanie Frappart und ihre beiden Assistentinnen Manuela Nicolosi (Frankreich) und Michelle O'Neill (Irland) haben eine Abseitsstellung von Pulisic gesehen. Nach einer kurzen Rückversicherung beim Videoschiedsrichter Clément Turpin steht Frapparts Entscheidung, kein Tor. Während der US-Amerikaner Christian Pulisic vor ihr unwirsch gestikuliert, bleibt Frappart gelassen. Nicht beeindrucken lassen, Entschlossenheit ausstrahlen, selbstbewusste Körpersprache - die Französin beherrscht ihren Job. Und daran bestand vor und nach diesem Spiel nie ein Zweifel.

Denn schon bevor die 35-Jährige zur ersten Frau wurde, die ein großes Finale im Männer-Fußball pfiff, gehörte sie zu den herausragenden Unparteiischen. Schon mit 19 Jahren leitete sie unter anderem Partien bei den Männern, seit 2011 pfeift sie internationale Spiele, der vorläufige Höhepunkt ihrer Karriere war das WM-Finale der Fußballerinnen in diesem Juli. Und doch änderte die Berufung für den UEFA Super Cup in Istanbul ihr Leben: "Ich bin jetzt bekannter", sagt Frappart und macht zudem klar, dass die ganze Aufregung um dieses "historische" Spiel eigentlich unangebracht ist: "Für mich ist es dasselbe. Der Fußball ist derselbe, die Regeln sind dieselben."

Stéphanie Frappart qualifiziert sich für noch höhere Aufgaben

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DW-Sportredakteur Joscha Weber: "Frauen gehören längst zum Fußball, auch dem der Männer. Es wird Zeit, dass Mann das nun auch sieht."

Dass es für viele Fußball-Fans eben nicht dasselbe ist, ob ein Mann oder eine Frau ein Match leitet, erzählt viel über das weltweit beliebteste Spiel. Es war und es ist noch immer eine Männerdomäne. Der Samstag im Stadion war jahrzehntelang reine Männersache - und ist es für manche gefühlt noch immer. Nein, nicht nur im Iran oder Saudi Arabien, sondern auch hier in Europa, der Geburtsstätte dieses Sports. Doch die Mauern der maskulinen Trutzburg bröckeln. In der Bundesliga pfeift Bibiana Steinhaus, Stéphanie Frappart nun im Super Cup. In den Fankurven hört man zunehmend auch Frauenstimmen, zum Betreuerstab der Profivereine gehören schon seit langem auch Mitarbeiterinnen, es gibt zahlreiche Moderatorinnen am Spielfeldrand und auf der Pressetribüne einige Kommentatorinnen (die allerdings immer noch mit viel öffentlicher Häme leben müssen). Ganz zu schweigen natürlich von den unzähligen Ordnerinnen, Polizistinnen, Kellnerinnen, Ticketverkäuferinnen oder TV-Regisseurinnen, die das Erlebnis eines Fußballspiels erst möglich machen. Frauen gehören längst zum Fußball, auch dem der Männer. Es wird Zeit, dass Mann das nun auch sieht.

Stéphanie Frappart und ihr Team zeigten in einem engen und umkämpften Spiel eine starke, fehlerfreie Leistung - trotz des großen öffentlichen Drucks. In der 84. Minute pfiff Frappart ein weiteres irreguläres Tor von Chelsea ab und lag dabei mit ihrer Entscheidung ebenso richtig wie in der Verlängerung beim Elfmeterpfiff für Chelsea. Diese tadellose Performance sollte die Französin nun für noch höhere Aufgaben qualifizieren: Es ist an der Zeit, dass eine Frau auch bei einem großen Turnier der Männer wichtige Spiele leitet - die EURO 2020 bietet die nächste Gelegenheit dafür. Der Männerfußball kann von so souveränen und stressresistenten Unparteiischen wie Stéphanie Frappart nur profitieren.

Und dann könnte vielleicht ja auch noch das letzte Tabu fallen: Eine Frau auf der Trainerbank einer großen Club- oder Nationalmannschaft. Auch diesen Job können Frauen. Warum auch nicht?