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Politik

Wählen mit der Angst im Nacken

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Dirke Köpp
30. März 2020

Die Parlamentswahl in Mali war ein unnötiges Risiko für die Menschen, meint Dirke Köpp. Und die von Frankreich angekündigte neue Spezialeinheit wird keine Lösung der Sicherheitskrise in dem afrikanischen Land bringen.

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Mali - Frau mit Mundschutz in Bamako
Auch in Mali greift das Coronavirus immer stärker um sich - die Menschen versuchen sich zu schützenBild: Getty Images/AFP/M .Cattani

Demokratie als hochriskantes Unterfangen: Die Wähler in Mali hatten am Sonntag die Wahl - zwischen Pest und Cholera, wenn man es so sagen mag. Die Malier konnten zwar wählen, aber sich damit dem Risiko aussetzen, sich mit dem Coronavirus anzustecken oder Opfer eines dschihadistischen Anschlags zu werden. Oder sie konnten zu Hause bleiben und damit das Signal geben: Uns ist es egal, wer die Parlamentswahl gewinnt und uns die nächsten fünf oder auch mehr Jahre regiert.

Die Parlamentswahl war seit 2018 mehrfach verschoben wurden: wegen Streiks, politischer Unstimmigkeiten und der Sicherheitslage, die in Mali seit dem Sturz des früheren Präsidenten Amadou Amani Touré 2012 und der Übernahme ganzer Landesteile durch Dschihadisten mehr als prekär ist. Seit vergangener Woche kommt zur terroristischen Bedrohung die Gefahr durch das Coronavirus hinzu. Grund genug, sollte man denken, die Wahl (noch einmal) zu verschieben.

Nur wenige sind wählen gegangen

Selbst prominente Vertreter aus Opposition und Zivilgesellschaft hatten sich dafür ausgesprochen, die Wahl nicht auf Biegen und Brechen stattfinden zu lassen. Als Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keita vergangene Woche eine Rede an die Nation ankündigte, hofften viele, die Wahl werde abgesagt. Stattdessen verkündete der Präsident aber nur eine nächtliche Ausgangssperre.

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Dirke Köpp leitet die Redaktion Französisch für Afrika

Mit Angst im Nacken, erzählten daher manche Wähler, seien sie am Sonntag wählen gegangen. Nur wenige Stunden, bevor die Wahllokale öffneten, hatte das Land seinen ersten Corona-Toten gemeldet. Und nur zwei Tage zuvor war der Oppositionsführer Soumaila Cissé im Norden des Landes - mutmaßlich von Dschihadisten - entführt worden. 

Die Wahlbeteiligung war entsprechend niedrig: Um die Mittagszeit, so Schätzungen, lag die Beteiligung bei nur rund sieben Prozent. Die angekündigten Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus‘ ließen in vielen Wahllokalen nach Aussagen von Beobachtern zu wünschen übrig. Und auch die Sicherheit war nicht überall gewährleistet: Der Leiter eines Wahlbüros wurde von Bewaffneten entführt, die Armee lieferte sich schwere Gefechte mit Dschihadisten, knapp 300 Wahllokale blieben ganz geschlossen - aus Sicherheitsgründen bzw. weil die Regierung keine Kontrolle über die Orte hat, in denen diese Wahlbüros liegen.

Ob die Stichwahl am 19. April stattfinden kann, steht derzeit noch in den Sternen - wegen COVID-19 und wegen der angespannten Sicherheitslage. Wenn sie nicht stattfinden kann, wären auch die Risiken der ersten Runde der Parlamentswahl unnötig gewesen.

Noch mehr ausländische Truppen in Mali

Zugleich haben elf europäische Staaten, darunter Deutschland, am Freitag angekündigt, mit der Spezialeinheit Takuba gegen Islamisten vorgehen zu wollen. Deutschland hat seine politische Unterstützung zugesagt, schickt aber zunächst keine Soldaten. Das schmeckt nicht allen.

Dabei müsste man sich eigentlich eher fragen, warum Deutschland überhaupt befürwortet, dass noch eine weitere Spezialeinheit ins Leben gerufen wird. Denn neben der UN-Mission in Mali (Minusma) gibt es schon die afrikanische G5-Initiative, die französisch geführte Militäroperation Barkhane und die EU-Ausbildungsmission EUTM. Keine dieser Missionen hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die terroristische Gefahr für die Malier geringer geworden ist. Im Gegenteil. Die Situation ist trotz der Präsenz ausländischer Truppen immer gefährlicher geworden, und zudem werden zunehmend traditionelle Strukturen und Machtverhältnisse zerstört.

Statt immer mehr Militär zu schicken, sollten die Europäer eher versuchen, nicht-militärische Lösungen zu suchen. Und zwar gemeinsam mit den Maliern.