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Politik

US-Rückzug aus Syrien? Eine schlechte Idee!

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
2. April 2018

Donald Trump hat den Rückzug des US-Militärs aus Syrien angekündigt. Das wäre ein fataler Schritt, meint Kersten Knipp. Der US-Präsident überließe die Region damit Akteuren, die sie in noch tieferes Chaos stürzen würden.

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Syrien Syrische Soldaten in Ost-Ghuta
Bild: Imago/Xinhua/A. Safarjalani

Was immer man über US-Präsident Trump sagen mag, er versteht es, Beobachter ins Grübeln zu versetzen. Amerikanische Truppen raus aus Syrien, so lautet der jüngste seiner außenpolitischen Einfälle - wenige Tage nach der Ernennung John R. Boltons zum Nationalen Sicherheitsberater und der Berufung Mike Pompeos zum neuen US-Außenminister. Beides Politiker, die jedenfalls bislang nicht als Apologeten eines zurückhaltenden außenpolitischen Kurses bekannt wurden, im Gegenteil: Beide stehen für eine robuste nationale Interessensvertretung, auch unter Einsatz militärischer Stärke. Wie verträgt sich also ihre Ernennung mit der Idee, die amerikanischen Soldaten und Militärberater aus Syrien zurückzuholen?

Man liegt wohl nicht falsch, wenn man Trumps Einfall als einen eher spontanen bewertet, dem ein Abzug nicht tatsächlich folgen muss. Denn geschähe das, wäre das zwar ein Eingeständnis, dass die bisherige Syrienpolitik der USA nicht viel gebracht hat, um es zurückhaltend zu formulieren. Es wäre aber vor allem ein Schritt in eine weitgehende geostrategische Bedeutungslosigkeit Amerikas in der Region. Und das käme den Nahen Osten teuer zu stehen - anders als 2003, als die USA auf Grundlage dreister Lügen in den Irak einmarschierten und darüber nicht nur den Irak ins Unglück stürzten. 

Vergangene Möglichkeiten

Knipp Kersten Kommentarbild App
DW-Autor Kersten Knipp

Gewiss: Die USA hatten zum Assad-Regime noch nie ein besonders entspanntes Verhältnis. Sowohl Vater wie dann auch Sohn Assad hätten sie lieber heute als morgen im freien Sturz gesehen. Die Gründe lagen zum Einen in der Nähe beider syrischer Präsidenten zum Iran, Amerikas größtem Widersacher in der Region. Und zum Anderen in ihrer feindseligen Haltung gegenüber Israel, Amerikas wichtigstem Verbündeten in Nahost.

Sieben Jahre lang haben die USA nun auf einen Sturz des Menschenschlächters Assad Junior hingearbeitet - vergeblich. Hätten sie robuster auftreten sollen? Hätten sie sich ganz heraushalten sollen, was freilich im Verein auch mit der Zurückhaltung anderer relevanter Akteure - Russlands, des Iran, der Türkei, Saudi-Arabien - hätte geschehen sollen? Es lässt sich nicht sagen. Zu viele Wege hätte der Aufstand unter anderen Vorzeichen nehmen können.

Der Gewinner hieße - Iran

Eines kann man aber sagen: Ein Rückzug der USA zu diesem Zeitpunkt würde nicht nur die Zukunft Syriens, sondern die der gesamten Region auf Jahrzehnte hinaus festlegen. Zu erwarten wäre eine - aller Wahrscheinlichkeit nach diskret ausgeübte - Dominanz Russlands. Und eine - vermutlich erheblich weniger diskret gestaltete - Vorherrschaft des Iran über weite Teile Syriens und von dort aus über den Libanon bis an die Grenzen Israels. Der "schiitische Halbmond" würde Wirklichkeit, und zwar eine rüde.

Der harte innenpolitische Kurs des Mullah-Regimes in Teheran wie auch sein bisheriges Auftreten in Syrien deuten an, wie rücksichtslos es seine Interessen in der Region durchsetzen würde. Das sind wirtschaftliche, vor allem aber auch propagandistische Interessen, allen voran eine schrill inszenierte Feindseligkeit gegenüber Israel - eine Karte, mit der sich in der Region trumpfen lässt, zumal in Zeiten, in denen Israel Proteste am Gazastreifen mit tödlicher Waffengewalt zum Schweigen bringt.

Ein düsteres Szenario

Die Folge des US-Rückzugs wäre ein triumphierend auftretender Iran, der die Region an den Rand eines weiteren Krieges bringen könnte. Das in Trumps Ankündigung mitschwingende Eingeständnis, die USA hätten im Syrienkrieg jenseits des erfolgreichen Kampfes gegen die Terroristen des Islamischen Staat nicht viel erreicht, trifft zu. Alles spricht aber dafür, dass ein Rückzug die Region in noch viel größere Düsternis stürzen würde.

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DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika