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Unnötige Reduktion auf Religion

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Felix Steiner
11. Mai 2016

Die Wahl von Muhterem Aras zur Landtagspräsidentin von Baden-Württemberg ist in mehrfacher Hinsicht eine Premiere. Vor allem aber ist sie ein Beleg dafür, dass Integration funktionieren kann, meint Felix Steiner.

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Muhterem Aras Porträt Bündnis 90/Die Grünen Stuttgart
Muhterem Aras - die neue Präsidentin des Landtags von Baden-WürttembergBild: picture-alliance/dpa/M.Murat

Die Überschrift der ersten Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) war geradezu typisch: "Erstmals Muslimin zur Landtagspräsidentin in Baden-Württemberg gewählt". Die Tatsache, dass eine Politikerin islamischen Glaubens in eine herausragende politische Position gewählt wurde, ist in den Augen der dpa-Nachrichtenprofis also die entscheidende Botschaft.

Das hätte man auch anders sehen können. Und vor allem die Gewählte Muhterem Aras selbst, der ein gewisses historisches Sendungsbewusstsein ganz offensichtlich nicht fremd ist, sieht es anders: "In dieser Woche schreiben wir in Baden-Württemberg wieder Geschichte" teilte sie am Dienstag via Facebook mit. Was die Stuttgarter Abgeordnete allerdings meinte: Mit ihr werde im deutschen Südwesten erstmals eine Frau in "das wichtige Amt der Landtagspräsidentin" gewählt.

Erfolgreiche Migrantin? Wen interessiert's?

Und noch eine dritte Variante der Schlagzeile hätte sich angeboten: die erste Migrantin in der protokollarisch zweithöchsten Position, die das Land Baden-Württemberg nach der des Ministerpräsidenten zu vergeben hat. Eine Frau, die vor genau 50 Jahren in einem anatolischen Dorf geboren wurde und als Zwölfjährige nach Deutschland kam. Damals kein Wort deutsch sprach. Aber die sich mit der Hilfe ihrer Familie, einer engagierten, jungen Lehrerin und vor allem mit viel Fleiß hochgearbeitet hat: über die Realschule an das Wirtschaftsgymnasium, von dort an die Uni Hohenheim. In Stuttgart ist sie seit bald 20 Jahren selbstständige Steuerberaterin und gibt inzwischen zwölf Menschen Arbeit - eine Erfolgsstory, wie sie die Schwaben mögen.

Wer sie reden hört und weder ihr Gesicht sieht, noch ihren Namen kennt, der denkt aufgrund des Tonfalls automatisch an die schwäbische Hausfrau, die dank Angela Merkel während der Griechenland-Krise zur Ikone der Sparpolitik wurde. Und genau deswegen kommt Frau Aras auch so gut an in Stuttgart: Erst war sie Stadträtin in der Landeshauptstadt, wurde schon bald Fraktionsvorsitzende. 2011 trat sie erstmals auf landespolitscher Bühne an und holte aus dem Stand mit 42,5 Prozent den höchsten Stimmenanteil aller grünen Wahlkreiskandidaten. Am 13. März hat sie diesen Erfolg wiederholt.

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DW-Redakteur Felix Steiner

Muhterem Aras ist damit ein Musterbeispiel an gelungener Integration in Deutschland. Und ein Beleg dafür, dass man es auch mit fremdländischem Namen und nicht bio-deutschem Aussehen in diesem Land schaffen kann. Sie ist ein Vorbild im besten Sinne des Wortes.

Keine religiösen Aussagen - nirgends

Umso mehr verwundert, wie eine Frau mit solch einer spannenden Lebensgeschichte nun in vielen Schlagzeilen auf "eine Muslimin" reduziert wird. Denn natürlich haben sich viele Medien am Tonfall der ersten dpa-Meldung orientiert. Und die Verwunderung steigert sich angesichts der Tatsache, dass Frau Aras ihre Religion von sich aus eher selten thematisiert. Sie engagiere sich in der alevitischen Gemeinde Stuttgart heißt es auf der Website der baden-württembergischen Grünen. In ihrer persönlichen Web-Präsenz hingegen gibt es keinerlei Hinweis auf ihre Religion. Worum geht es also den Medienmachern? Um die sich selbst erfüllende Prophezeiung, dass die Deutschen Angst vor einer Islamisierung des Landes haben? Mit Muhterem Aras findet die jedenfalls nicht statt.

Insofern wäre deutlich mehr Gelassenheit angezeigt. Ganz nach dem Vorbild des AfD-Parteichefs Jörg Meuthen, der ebenfalls im Landtag von Baden-Württemberg sitzt und die Wahl der Parlamentspräsidentin wie folgt kommentierte: "Zu Deutschland gehören Millionen Menschen islamischen Glaubens, die bei uns leben - friedlich integriert. Eine davon ist jetzt Landtagspräsidentin - so what?"

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