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Politik

Trump und Europa keine Partner in Nahost

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
9. September 2017

Trumps Ankündigung, das Atomabkommen mit dem Iran womöglich neu zu bewerten, ist alarmierend. Sollten die USA davon abrücken, könnte das für Europa fatale Folgen haben. Das kann die EU nicht durchgehen lassen.

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Saudi-Arabien Abflug Trump nach Israel
Bild: Reuters/J. Ernst

Vor einigen Tagen gab Nikki Haley, US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, der Weltöffentlichkeit einen Eindruck davon, wie der künftige Umgang der Trump-Regierung mit dem Iran aussehen könnte. Die Details sind zwar noch nicht ausgearbeitet, aber die großen Linien stehen. Sie laufen auf Konfrontation hinaus.

Erst im Oktober wird US-Präsident Donald Trump selbst bekanntgeben, was er von dem Atomabkommen mit dem Iran hält. Schon jetzt aber verlas Haley die politische Sündenliste des Iran, als wolle sie die Welt auf die anstehende Konfrontation vorbereiten.

Die Liste ist lang, sie wiegt schwer, und sie wird, Stichwort Syrien, nahezu täglich länger. Teheran, so formulierte es dieser Tage ein israelischer Kommentator, sei auf bestem Wege, Syrien in einen iranischen Kolonialstaat zu verwandeln. Die Diagnose mag zugespitzt sein, aber in der Sache ist sie begründet.

Atomabkommen isoliert betrachten

All das rechtfertigt jedoch nicht, das Atomabkommen in Frage zu stellen. Denn die regionalen Aktivitäten des Iran sind überhaupt nicht Gegenstand des Vertrages.

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DW-Autor Kersten Knipp

Eine Zeitlang hoffte man allerdings, der Geist des Abkommens könnte sich auch auf die konventionellen Konfliktfelder in der Region erstrecken und mäßigend auf sie einwirken. Diese Hoffnung hat sich - zumindest bislang - nicht erfüllt. Iran treibt weiterhin eine aggressive Außenpolitik.

Würden die USA das Atomabkommen nun aber aufkündigen, dürfte das die Region in noch weiteres Chaos stürzen. Denn ein neu aufgelegtes iranisches Atom-Rüstungsprogramm würde andere Staaten dazu animieren, es ihm nachzutun. Insbesondere Irans Erzfeind Saudi-Arabien könnte versucht sein, diese Strategie zu fahren.

Notwendige Spekulationen

Darum ist es an der Zeit, sich eine paradoxe Frage zu stellen: Ist es möglich, dass das Abkommen nicht doch eine zumindest minimal mäßigende Wirkung auf den Iran entfaltet, und zwar all der tragischen Entwicklung rund um Syrien zum Trotz? Wie sähe die iranische Außenpolitik aus, hätte es das Abkommen nicht gegeben? Wäre sie womöglich noch aggressiver? Legt sich Teheran womöglich doch einige - wenige - Zügel an? Wir wissen es nicht.

Sicher ist aber, dass die Aussicht, das Abkommen könnte womöglich gekündigt werden, dem Iran überhaupt keinen Anlass mehr böte, sich militärisch und diplomatisch in irgendeiner Form zurückzuhalten. Dadurch könnte die Region noch weiter in Aufruhr geraten. Dazu trägt auch bei, dass die USA das saudische Königreich massiv aufrüsten. Der Waffendeal über 350 Milliarden Dollar, den Trump im Mai in Riad unterzeichnete, klingt noch in den Ohren - obwohl Trump und Haley ihn gern verschweigen.

Trumps merkwürdiger Blick auf Nahost

Man muss kein Apokalyptiker sein, um sich die Situation in Nahost ohne Abkommen finsterer auszumalen als mit ihm. Die Spannungen könnten nochmals steigen und sich in weiteren Zusammenstößen entladen. Ein weiterer oder nochmals angeheizter Stellvertreterkrieg zwischen Iran und Saudi Arabien könnte noch mehr Menschen zur Flucht treiben - und den Migrationsdruck auf Europa noch einmal erhöhen. Das könnte die in vielen EU-Ländern jetzt schon populistisch angeheizte Stimmung weiter verschärfen, auch in Deutschland.

Die Aufkündigung des Abkommens bekäme in erster Linie Europa zu spüren. Die USA hingegen, durch einen tiefen und mehrere tausend Kilometer breiten Wassergraben geschützt, blieben von den humanitären Folgen eines solchen Desasters unberührt. Trumps Neigung, in Saudi-Arabien eine Art Garanten des Friedens in Nahost und im Iran den alleinigen Förderer des Terrorismus zu sehen, ist absurd. Und sie ist politisch so gefährlich, dass Europa es sich nicht leisten kann, sie unwidersprochen zu lassen.

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Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika