1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kommentar: Starkes Signal, Folgen ungewiss

19. März 2011

Der Weltsicherheitsrat hat nach langem Zögern ein Flugverbot für Libyen beschlossen. Ein starkes Signal an die Aufständischen – dessen Folgen nur schwer kalkulierbar sind, meint Daniel Scheschkewitz.

https://p.dw.com/p/RAPT
Themenbild Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

In buchstäblich allerletzter Minute hat der Weltsicherheitsrat einer Flugverbotszone für Libyen zugestimmt und damit die Zivilbevölkerung und die Aufständischen im Osten von Gaddafis Wüstenreich vor unmittelbar bevorstehenden Angriffen aus der Luft bewahrt. Die Kampfflugzeuge des libyschen Despoten standen schon startbereit und werden nun durch das Votum aus New York vorerst in die Schranken gewiesen. Mit der Ankündigung eines Waffenstillstands durch den libyschen Außenminister scheint die scharfe Resolution ihre erste Funktion der Eindämmung der Gaddafi-Offensive bereits im Ansatz erfülllt zu haben. Doch alles Weitere ist ungewiss. Deutschland hat sich im Weltsicherheitsrat genauso wie China und Russland der Stimme enthalten. Aus gutem Grund, denn die Bedenken gegen ein militärisches Eingreifen wiegen schwer.

Porträtfoto Scheschkewitz, Daniel Zentrale Programmredaktion, Reporter-/Autorenpool (Foto DW/Per Henriksen)
Daniel ScheschkewitzBild: DW

Eine Flugverbotszone wird Gaddafi hoffentlich zum Einlenken und zu Verhandlungen über einen Waffenstillstand bringen. Doch diese Hoffnung könnte sich auch als trügerisch erweisen, denn zwingende militärische Maßnahmen müssen der UN-Resolution jetzt mehr oder weniger unmittelbar folgen. Sonst verliert die Drohung an Gewicht. Frankreich, Großbritannien und die USA scheinen zum militärischen Eingreifen bereit, einzelne Nato-Staaten werden logistische Unterstützung anbieten. Doch die Dynamik eines Militäreinsatzes und sei es nur aus der Luft wirft unbeantwortete Fragen auf. Welcher der Staaten, die ein militärisches Eingreifen befürwortet haben, ist zu einem dauerhaften militärischen Engagement in Nordafrika bereit?

Aus der Flugverbotszone im Norden des Irak zum Schutz der Kurden zog sich Frankreich in den 1990er-Jahren schon bald wieder zurück. In den USA verspürt man selbst unter den Militärs wenig Lust auf einen neuen Krieg, zumal man aus den schwierigen Einsätzen im Irak und Afghanistan gelernt hat und der komplizierte Rückzug vom Hindukusch noch bevorsteht. Immer wieder hat sich die Hoffnung, einen Militäreinsatz auf einige wenige chirurgische Eingriffe aus der Luft begrenzen zu können, als fataler Irrtum erwiesen. Jedes militärische Engagement, sei es auch noch so moralisch begründet, bringt auch unschuldigen Menschen den Tod. Und was passiert, wenn Gaddafis Söldnertruppen die Aufständischen nun am Boden angreifen? Die Kriegskasse des selbst ernannten Revolutionsführers ist trotz aller Sanktionen gegen sein Regime noch immer prall gefüllt. Den Einsatz von Bodentruppen zum Schutz der Rebellen schließt das UN-Mandat aber aus. Wie ernst ist es den arabischen Ländern mit ihrer Unterstützung? Bisher stehen nur die Arabischen Emirate und Katar - und das auch nur vielleicht - zum Eingreifen bereit. Wenn es auf eine Teilung Libyens hinausliefe, müsste im Osten des Wüstenstaats quasi ein Protektorat für die Aufständischen geschaffen werden. Eine Enklave der Freiheit, die sich nur mit massiver Unterstützung von außen halten könnte. Die Folgen des Votums des Weltsicherheitsrates könnten sich als komplizierter und schwerwiegender herausstellen, als es die hehre Absicht seiner Befürworter auf den ersten Blick erkennen lässt.

Autor: Daniel Scheschkewitz

Redaktion: Sven Töniges