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Kommentar: Selbstmitleid und Illusionen

19. Juli 2007

Russland hält weiter an seinem Veto im UN-Sicherheitsrat zur Lösung der Kosovo-Frage fest. Damit tut Moskau weder den Serben noch dem Kosovo einen Gefallen, meint Fabian Schmidt in seinem Kommentar.

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Bild: DW

Die serbische Außenpolitik ist zweifellos glücklich über die Rückendeckung aus Moskau, denn sie erhält die Illusion aufrecht, Kosovo sei noch immer ein Teil Serbiens. Aber durch die Ablehnung des Ahtisaari-Plans tut Russland weder den Serben des Kosovo einen Gefallen noch den Bürgern Serbiens. Russland spielt die Rolle eines Therapeuten, der dem Alkoholiker zur Heilung seines Selbstmitleids Schnaps verabreicht.

Keine verlorenen Schlachten schlagen

Serbien wäre mehr geholfen, wenn Belgrad endlich akzeptieren würde, dass die überwiegende Mehrheit der Bürger des Kosovo Unabhängigkeit verlangt und dass die eigene Politik im Kosovo Ende der 80er Jahre den Zerfall Jugoslawiens verursacht hat. So könnte Serbien dann seine Energien auf die europäische Integration und den Aufbau guter Beziehungen zum Kosovo und den anderen Nachbarn konzentrieren und müsste nicht immer wieder versuchen, verlorene Schlachten zu schlagen.

Der Ahtisaari-Plan wäre für die Serben im Kosovo eine sehr gute Lösung, denn er garantiert Minderheitenrechte auf höchstem Niveau und eine internationale Überwachung derselben. Er sichert lokale Selbstverwaltung durch eine Gemeindereform zu und böte die Grundlage einer friedlichen und prosperierenden Zukunft. Ein unabhängiges Kosovo wäre neben Serbien integrationsfähig in die EU, womit die Grenzen für die Bürger an Bedeutung verlören.

UN-Strukturen überholungsbedürftig

Aber Moskau geht es nicht um die Serben im Kosovo. Es geht ums eigene Selbstmitleid. Es geht darum, die Illusion aufrecht zu erhalten, dass Russland noch immer eine Supermacht sei, wie einst die Sowjetunion, und ein Wörtchen mitzureden habe. Als Bühne nutzt Russland dazu mal die eigene Energiepolitik, mal die Aufkündigung des Vertrages über konventionelle Abrüstung, mal eben sein Veto im UN-Sicherheitsrat. Seit Ende des Kalten Krieges ist dessen Struktur dringend überholungsbedürftig. Unter den Vetomächten befindet sich noch immer eine Diktatur, nämlich China, und eben Russland, ein autoritär geführter Staat, der nur mit sehr viel Wohlwollen und Wegschauen als Demokratie zu bezeichnen ist. Mit seiner Veto-Politik fügt Russland dem UN-System zudem schweren Schaden zu.

"Lösung notfalls ohne Sicherheitsrat"

Schon in den 90er Jahren ist der UN-Sicherheitsrat durch Veto immer wieder an der Sicherung des Weltfriedens gescheitert – an seiner Kernaufgabe. So war es in den post-jugoslawischen Zerfallskriegen aber auch im Irak. Letztlich waren es stets Koalitionen der Willigen, die gehandelt haben. Dort wo es keine Koalitionen der Willigen gab, nämlich in Ruanda und Darfur, kapitulierte die Weltgemeinschaft vor den Massenmördern.

Die Demokratien dieser Welt sollten sich daher ihrer eigenen Illusion stellen: Dem Glauben, dass die UN unter allen Umständen das beste Mittel zur Lösung internationaler Konflikte sei. Es ist Zeit, sich einzugestehen, dass die UN-Vollversammlung kein demokratisch gewähltes Weltparlament ist und nicht besser sein kann als die Summe ihrer Mitglieder. Darunter sind zahlreiche Demokratien, aber auch viele despotische und korrupte Regime und Diktaturen. Es ist Zeit, die eigenen Werte, nämlich Menschenrechte, Freiheit und Demokratie vor das Prinzip der Multilateralität zu stellen.

Für das Kosovo hat nun die UN, vertreten durch Ahtisaari, sogar eine gute Lösung gefunden. Sollte diese jedoch im Sicherheitsrat scheitern, dürfen die westlichen Demokratien sich nicht zurückziehen. Sie müssen andere Wege finden, um für alle Bürger des Kosovo eine ebenso gute Lösung umzusetzen – notfalls unter Umgehung des Sicherheitsrates.

Fabian Schmidt
DW-RADIO/Albanisch, 19.7.2007, Fokus Ost-Südost