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Schwarze Nullen, schwarze Zukunft

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Rolf Wenkel
23. Februar 2016

Ein solides Wachstum hat den öffentlichen Kassen zu Rekordeinnahmen verholfen. Was den Reformeifer der Bundesregierung sicher nicht fördern wird, fürchtet Rolf Wenkel - mit negativen Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit.

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Symbolbild - Schlagloch
Bild: picture-alliance/dpa

Eigentlich müssten in vielen deutschen Chefetagen die Sektkorken knallen: Trotz mauer Weltkonjunktur, trotz der EU-Sanktionen gegen Russland, trotz der Rezession und dem damit verbundenen Nachfrageausfall in vielen Schwellenländern ist es der deutschen Wirtschaft gelungen, auf die ohnehin schon riesige Wirtschaftsleistung noch einmal eine Schippe von 1,7 Prozent draufzulegen. Wovon auch die öffentlichen Kassen von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen kräftig profitiert haben: Fast 20 Milliarden Euro haben sie im vergangenen Jahr mehr eingenommen als sie ausgegeben haben.

Trittbrettfahrer

Der Erfolg hat bekanntlich viele Väter. Da ist zum einen der robuste Arbeitsmarkt. Monat für Monat werden Rekordstände bei der Beschäftigung gemeldet, was für sprudelnde Einnahmequellen beim Fiskus und den Sozialkassen gesorgt hat. Hinzu kommt ein florierender privater Konsum: Wer keine Sorgen hat, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, und wer für Sprit und Heizöl binnen Jahresfrist nur noch die Hälfte zahlt, der wird bei seinen Kaufentscheidungen mutiger - was den Handel und wiederum den Fiskus freut.

Hinzu kommt die verheerende Geldpolitik zu Nullzinsen, die der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, betreibt. Seine Geldschwemme übertüncht einerseits die Haushaltsprobleme der südlichen Euroländer und hält einige marode Banken künstlich am Leben, kauft dem Süden also Zeit, hilft aber andererseits dem deutschen Finanzminister, sich aller Haushaltssorgen zu entledigen. Denn er muss für geliehenes Geld keine Zinsen zahlen. Mehr noch: Renten- und Pensionsfonds, die per Satzung oder per Gesetz gezwungen sind, nur erstklassige Anleihen zu kaufen, zahlen sogar noch Zinsen für das Privileg, in deutsche Staatsanleihen investieren zu dürfen.

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DW-Wirtschaftsredakteur Rolf Wenkel

Wie gesagt: Der Erfolg hat bekanntlich viele Väter. Nur einer will einem partout nicht einfallen: Die Bundesregierung, und speziell deren Finanzminister Wolfgang Schäuble. Nicht nur, dass er an diesem Geldsegen völlig schuldlos ist - seine Politik der "schwarzen Null" findet inzwischen nur noch unter den Anhängern einer knallharten Austeritätspolitik einige Befürworter. Immer mehr Menschen wird aber offenbar klar, dass striktes Sparen kein Selbstzweck sein darf. Wer heute nicht genug in Straßen, Brücken, Schulen, Universitäten und Lehrer investiert, setzt seine Zukunft leichtfertig aufs Spiel.

Stimmung trübt sich ein

Vielleicht ist es ja ein glücklicher Zufall, dass am gleichen Tag, an dem die öffentlichen Kassen einen Rekordüberschuss melden, das Münchener Ifo-Institut berichtet, dass sich die Stimmung unter den Unternehmern zum dritten mal in Folge eingetrübt hat. Ihre gegenwärtige Lage schätzen sie dabei noch recht positiv ein. Nein, es ist die Zukunft, die ihnen Sorgen macht. Und das nicht nur wegen der flauen Weltkonjunktur und der schwächelnden Schwellenländer. Sondern auch, weil in Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit langsam zu zerbröseln beginnt, und Aufträge wegbrechen, weil Chinesen oder Koreaner günstiger liefern können.

Rekordeinnahmen in öffentlichen Kassen fördern allenfalls ein "weiter so", erzeugen aber keinen Druck, Strukturreformen anzugehen. So gesehen, können sich 20 Milliarden Euro langfristig als Danaergeschenk erweisen, wenn sie nicht klug investiert werden.

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