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Kommentar: Schnelle Lösung der Krise in Rumänien nicht in Sicht

5. April 2007

Die Regierungskoalition in Rumänien ist auseinander gebrochen. Seit Montag (2.4.) steht die neue Minderheitsregierung. Die Folgen bewertet Robert Schwartz.

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Ist es die Lösung der langen politischen Krise in Rumänien oder nur ein Kompromiss mit schwerwiegenden Folgen für den europäischen Reformprozess? Diese Frage geistert durch die rumänische Gesellschaft, die wegen des fast zweijährigen Streits zwischen Präsident Traian Basescu und Premierminister Calin Popescu Tariceanu stark polarisiert ist. Das gilt auch für die politischen Parteien. Auf der einen Seite stehen die Anhänger des reformorientierten Staatschefs, der jetzt hinnehmen musste, dass seine Demokratische Partei in die Opposition geschickt wurde. Auf der anderen findet sich eine bunte Mehrheit aus Liberalen, Sozialdemokraten, National-Populisten und Ex-Kommunisten wieder – Verfechter einer gebremsten Reform, denen vor allem der Kampf gegen die Korruption nicht behagen konnte und die Basescu autoritäres Gehabe vorwerfen.

Am Tropf der Sozialdemokraten

Die neue Mannschaft Tariceanus verfügt über knapp 22 Prozent der Stimmen im Parlament und hängt am Tropf der Sozialdemokraten: kein Gesetz, keine Verordnung, keine Reform geht ohne die Stimmen der Opposition. Unter diesen Voraussetzungen ist eine liberale Politik nur noch bedingt – wenn überhaupt – möglich. Warum dann nicht gleich eine große sozial-liberale Koalition? Auch wenn einige liberale Politiker diese Idee unterstützen, zogen es die Sozialdemokraten vor, ihren politischen Druck aus dem parlamentarischen Hintergrund auszuüben: Gelingt das Projekt, wären sie am Erfolg maßgeblich beteiligt. Scheitert es, trägt die Regierung Tariceanu die Schuld. Im nächsten Jahr sind Parlamentswahlen und die Karten werden neu gemischt.

Gescheiterte Justizreform

Prominentestes Opfer der Regierungsumbildung ist die parteilose Justizministerin Monica Macovei. Durch die von ihr vorangetriebene Justizreform und die Kampfansage an korrupte Politiker aller Couleur hatte Macovei entscheidend zum EU-Beitritt ihres Landes beigetragen. Unterstützung hatte sie in ihrem Anti-Korruptionskampf nur von der Demokratischen Partei und Präsident Basescu erhalten. Die EU-Kommission hatte die Reformen gelobt, Vertreter des Europaparlaments hatten mehrfach vor einer Entlassung der Justizministerin gewarnt. Jetzt wurde sie von Tariceanu geschasst.

Es ist kein Geheimnis, dass Rumänien – wie Bulgarien auch – Anfang des Jahres mit einigen Auflagen in die EU aufgenommen wurde. Nach dem ersten Halbjahr könnte Brüssel wegen der gescheiterten Justizreform Schutzklauseln aktivieren, die im Klartext eine Kürzung der EU-Finanzmittel bedeuten.

Der Staatschef ist am Zug

Die ersten 100 Tage Rumäniens in der Europäischen Union erfordern eine nüchterne Bilanz: Reformstau, innenpolitisches Chaos, ein Streit zwischen Präsident, Regierung und Parlament, zögerliche und unklare Europa- und Außenpolitik. Die Chancen, dass Ruhe einkehrt nach der Regierungsumbildung, sind gering. Die erwartete Zuspitzung im Machtkampf zwischen Tariceanu und Basescu könnte nur noch vom Wähler selbst durch Neuwahlen entschärft werden. Doch diesen Schritt meiden sowohl die Liberalen als auch die Sozialdemokraten, die in den jüngsten Umfragen nicht sonderlich gut dastehen. Jetzt ist der Staatschef am Zug, die Rumänen erwarten gespannt seine nächsten Schritte. An eine schnelle Lösung der Krise glaubt niemand mehr.

Robert Schwartz
DW-RADIO/Rumänisch, 2.4.2007, Fokus Ost-Südost