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Gesellschaft

Rote Rosen für Mütter, rote Karte für Rechte

12. Mai 2019

Der Muttertag sollte nicht nur von Floristen und Familien, sondern auch von Feministinnen gefeiert werden. Die Frauenbewegung darf diesen emotionalen Feiertag nicht den Rechtspopulisten überlassen, meint Astrid Prange.

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Rosen, Spanien, Europa (picture alliance / imageBROKER)
Bild: picture-alliance/imageBroker

Blumen am Muttertag? Ich gestehe: Ich kann nicht genug davon bekommen! Versinken in einem Meer aus roten Rosen und Glückwunschkarten ist Balsam für meine Seele. Doch Vorsicht: Nicht alle Blumensträuße und Glückwünsche kommen von Herzen. In jüngster Zeit schwingen in den Lobeshymnen auf Mütter auch rechtspopulistische Zwischentöne mit.

In Deutschland etwa will die AfD "die Diskriminierung der Vollzeit-Mütter stoppen", so steht es im Grundsatzprogramm der Partei. In Polen rät die regierende PiS-Partei alleinerziehenden Müttern, erneut zu heiraten und weitere Kinder zu bekommen. Und in Brasilien hat Frauenministerin Damares Alves nichts anderes zu tun, als davon zu schwärmen, wenn Jungen blau und Mädchen rosa tragen.

Missbrauch des Mutter-Mythos

Rechtspopulistische Politiker, die sich auf christlich-fundamentalistischen Veranstaltungen wie jüngst dem "World Congress of Families" in Verona treffen,  missbrauchen den hierzulande stark ausgeprägten Mutter-Mythos. In Deutschland, wo einst auf Anordnung Adolf Hitlers das "Mutterkreuz" verliehen wurde, ist dieser Mythos mit einer gewaltigen Erblast verbunden. 

Kommentarbild Astrid Prange
DW-Redakteurin Astrid Prange de Oliveira ist glückliche Mutter zweier TöchterBild: DW/P. Böll

Ausgerechnet mitten im 21. Jahrhundert schwingen sich diese falschen Freunde von Müttern auf und stimmen das Loblied auf die "traditionelle Familie" an. Es geht einher mit dem politischen Kampf gegen Schwangerschaftsabbrüche, "Genderwahnsinn", Feminismus und "staatlich bevorzugte Krippenbetreuung".

Kommerz statt Frauenrechte

Auf den ersten Blick ist es daher verständlich, wenn viele Frauen und Mütter auf Distanz zum Muttertag gehen. In ihren Augen ist der Feiertag zu einer Kommerzveranstaltung für Floristen verkommen. 

Sie folgen damit der enttäuschten Begründerin Anna Marie Jarvis, die am 12. Mai 1907 in Grafton in West Viriginia eine Andacht zu Ehren ihrer verstorbenen Mutter hielt und nach dem Gottesdienst 500 weiße Nelken verteilen ließ. Angesichts der Kommerzialisierung des Muttertags bereute sie es später, den Feiertag ins Leben gerufen zu haben.

Doch Rosen, Nelken und Frauenrechte schließen einander nicht aus. Im Gegenteil: Der Muttertag verbindet Mütter auf der ganzen Welt, unabhängig von politischer, religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit! Wir sollten ihn nutzen, um an die Ideale der Gründerin und der Frauenbewegung anzuknüpfen. Vor allem aber: Wir sollten diese Bühne nicht rechtspopulistischen Politikern überlassen.

Müttersterblichkeit geht zurück

Es gibt durchaus Gründe zu feiern. Zum Beispiel den weltweiten Rückgang der Müttersterblichkeit. Zwischen 1990 und 2015 sank die Zahl der Frauen, die während der Schwangerschaft oder Geburt starben, von 500.000 auf 300.000. Auch beim Kampf gegen die Kindersterblichkeit wurden große Erfolge erzielt.

Deutschland Demonstration in Bonn für Frauenrechte Muttertag
Der wahre Sinn des Muttertags: Demo für Frauenrechte am Muttertag im Jahr 1986Bild: picture-alliance/Klaus Rose

Trotz aller Erfolge bei der medizinischen Versorgung, Kinderbetreuung und Gleichberechtigung - es wird wohl noch weitere 100 Jahre brauchen wird, bis die traditionelle Rollenverteilung zu Lasten der Frau überwunden sein wird und Mütter und Väter Beruf und Familie miteinander vereinbaren können - wenn überhaupt. 

Auf dem Rücken der Frau

Doch es wäre auch falsch, die bisherigen Fortschritte kleinzureden. Zur Erinnerung: Bis 1958 hatte in Deutschland der Ehemann das alleinige Bestimmungsrecht über Frau und Kinder. Auch wenn er seiner Frau erlaubte, zu arbeiten, verwaltete er ihren Lohn. Bis 1962 durften Frauen ohne die Zustimmung des Mannes hierzulande kein eigenes Bankkonto eröffnen.

Auf diese Art der "traditionellen Familie" kann ich gut verzichten. Denn ihre vermeintliche Harmonie wurde und wird auf dem Rücken der Frau ausgetragen. Der Muttertag ist ein guter Anlass, an den langen Kampf von Frauen und Müttern für ihre Rechte zu erinnern. Wir sollten unseren Tag nicht falschen Freunden überlassen.