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Repressive Regime können nicht Europas Partner sein

Sollich Rainer Kommentarbild App
Rainer Sollich
29. Oktober 2015

Mit der Verleihung des Sacharow-Preises an den inhaftierten saudi-arabischen Blogger Raif Badawi sendet das Europäische Parlament eine klare Botschaft, meint Rainer Sollich.

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Berlin Demonstration für die Freilassung Raif Badawis
Bild: imago/Mauersberger

Raif Badawi verdient diesen Preis! Denn der 31 Jahre alte Blogger aus Saudi-Arabien steht idealtypisch für die Motivation, die das Europäische Parlament mit dem Sacharow-Preis verbindet: Unterstützt werden damit Aktivisten, die sich gegen massive Widerstände für Menschenrechte und Meinungsfreiheit einsetzen und damit oft hohe persönliche Risiken eingehen.

Badawi verkörpert diesen Mut allein schon durch sein eigenes Schicksal: Er sitzt wegen seiner Kritik am Regime von Saudi-Arabien und dessen rückwärtsgewandter Islam-Auslegung seit mehr als drei Jahren im Gefängnis und wird mit einer Strafe von 1000 Stockhieben bedroht. 50 Schläge hat er bereits erleiden müssen. Seine Familie befürchtet, dass bald weitere folgen könnten.

Klares Signal an den Westen

Das Parlament der EU sendet mit dem Preis deshalb auch eine sehr klare Botschaft an die europäischen und westlichen Staats- und Regierungschefs: Repressive Regime verdienen niemals unsere Unterstützung! Auch dann nicht, wenn sie - wie Saudi-Arabien - traditionell als "Partner" oder sogar "Stabilitätsgaranten" in ihrer Region angesehen werden. Es stimmt schon: Ohne Einbeziehung Saudi-Arabiens kann es weder in Syrien noch im Jemen Frieden geben. Dasselbe gilt aber auch für den Iran als größten Widersacher der Saudis in der Region, der es trotz Atom-Deal bisher noch nicht in den Rang eines westlichen "Partners" geschafft hat.

Saudi-Arabien in seiner jetzigen Verfassung könnte überdies auch selbst mittelfristig zu einem Stabilitätsrisiko werden. Nämlich dann, wenn es nicht den Mut findet, politische und wirtschaftliche Reformen anzugehen. König Salman hat diesen Mut bisher vermissen lassen. Ihm fehlt offensichtlich der Wille, möglicherweise auch die Macht dazu: Der Einfluss des radikalen wahhabitischen Islam ist fest im politischen System verankert. Es gibt keinerlei Meinungsfreiheit, keinerlei individuelle Freiheiten, keinerlei Menschenrechte. Das staatliche Rechtssystem gleicht in weiten Teilen dem des so genannten "Islamischen Staates" (IS), vor dem sich das Regime noch mehr fürchtet als vor Raif Badawi. Es herrscht ein erschreckender geistiger Stillstand. Es regiert die pure Repression.

Deutsche Welle Rainer Sollich Arabische Redaktion
Rainer Sollich leitet die DW-Redaktion Arabisch OnlineBild: DW/P. Henriksen

Nicht mehrheitsfähig in der arabischen Welt

Und es gehört leider auch zur traurigen Realität in der arabischen Welt, dass Stimmen wie die von Raif Badawi in Saudi-Arabien und in der gesamten Region derzeit nicht mehrheitsfähig sind. Politische Repressionen, konfessioneller Hass, geopolitische Rivalitäten und teils auch wirtschaftliche Not bestimmen dort zur Zeit die Agenda. Vom "Arabischen Frühling" und dem Traum von Freiheit, Demokratie und menschlicher Würde ist kaum etwas übrig geblieben. In einem solchen Umfeld werden mutige Kritiker wie Raif Badawi gerne als "Hätschelkinder" oder "Ikonen" des Westens diskreditiert.

Und doch ist es ein richtiges und wichtiges Signal an die arabische Welt, wenn Europa dort Demokratie-Aktivisten unterstützt. Ihre Ideen und ihr Mut sind die einzige Hoffnung, dass der Nahe Osten eines eher fernen Tages doch noch aus dem Dauer-Kreislauf von Hass, Gewalt und kultureller Engstirnigkeit herausfindet. Und sie zeigen auch: Demokratie und Toleranz sind keineswegs "westliche" oder gar "christliche" Werte. Sie sind genauso mit dem Islam vereinbar!