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Kommentar: Rösler redete nicht leichtsinnig

13. September 2011

Nachdem der deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler das Wort von einer Insolvenz Griechenlands in den Mund genommen hatte, brachen die Aktienkurse ein. Daraufhin hagelte es Kritik. Peter Stützle aber hat Verständnis.

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Hätte Philipp Rösler schweigen sollen? Als Wirtschaftsminister kann er das nicht, er muss sich zur Euro-Krise äußern. Er hätte natürlich das sagen können, was seine Kanzlerin sagt. Dass es jetzt darum gehe, dass die Griechen ihre Zusagen einhalten, und dass man Griechenland weiter unterstützen werde, wenn es seine Hausaufgaben macht. Das hätte er sagen können. Und Punkt.

Rösler hat sich aber auch dazu geäußert, was wäre, wenn das nicht funktioniert. Da dürfe es keine Denkverbote geben, hat er gesagt und in einem Zeitungsbeitrag geschrieben: "Dazu zählt notfalls auch eine geordnete Insolvenz Griechenlands, wenn die dafür notwendigen Instrumente zur Verfügung stehen." Der Europäische Stabilisierungs-Mechanismus ESM soll diese Instrumente haben, aber er soll erst Mitte 2013 seine Arbeit aufnehmen. Also eine Wortmeldung zur Unzeit?

Peter Stützle, Deutsche Welle Hauptstadtstudio (Foto: DW)
Peter Stützle, Deutsche Welle HauptstadtstudioBild: DW

Keineswegs, denn noch in diesem Jahr soll der Deutsche Bundestag die Einrichtung des ESM beschließen, und es gibt viele Skeptiker bei Röslers Liberalen, aber auch beim großen Partner CDU und ihrer bayerischen Schwesterpartei CSU. An diese Abweichler ist die Äußerung Röslers ein Signal: Wir verstehen euch und eure Bedenken – aber versteht ihr auch uns! Die Regierung braucht eure Stimmen, schon Ende September, wenn über die Erweiterung des bestehenden Rettungsschirms EFSF abgestimmt wird, und dann erneut Ende des Jahres bei der Abstimmung über den ESM. Dann bekommen wir die Instrumente, die auch eine geordnete Insolvenz ermöglichen.

Parteipolitik gehört zur Demokratie

Bei Rösler ist natürlich auch Parteipolitik im Spiel. Seit vier Monaten ist er nun FDP-Vorsitzender und hat die Partei nicht aus ihrem Tief befreien können. Bei der Berliner Abgeordnetenhaus-Wahl nächsten Sonntag droht die nächste Schlappe. Rösler muss sich profilieren, muss eigene Akzente setzen. Das wird jetzt von vielen kritisiert, aber Parteipolitik gehört in einer von Parteien getragenen Demokratie nun mal dazu. Immerhin bezweifelt inzwischen die Mehrheit der Deutschen, dass Griechenland noch aus dem Schuldenstrudel herauskommt, und ist gegen immer neue Garantien mit deutschen Steuergeldern. Und innerhalb der FDP bereiten Euro-Skeptiker einen Mitgliederentscheid gegen den Europäischen Stabilisierungs-Mechanismus vor. Das kann ein Parteivorsitzender nicht ignorieren.

Für den Vorsitzenden der bayerischen CSU, Horst Seehofer, gilt Ähnliches. Er will sich bei einem Parteitag in gut drei Wochen zur Wiederwahl stellen. Ein solcher Parteitag ohne einen Beschluss zur Euro-Krise ist undenkbar. Ebenso undenkbar ist, dass die CSU dabei auf eigene Akzente verzichtet, will sie ihren Anspruch als eigenständige Partei neben Angela Merkels CDU nicht aufgeben. Deshalb ist Seehofer nun, was eher selten vorkommt, Rösler zur Seite gesprungen.

Die Finanzmärkte haben auf diese Äußerungen aus Deutschland nervös reagiert. Sie reagieren derzeit auf alles mögliche nervös. Aber man kann die in einer Demokratie notwendige Auseinandersetzung über wichtige Zukunftsfragen nicht sein lassen, nur um die Märkte nicht zu beunruhigen.

Autor: Peter Stützle

Redaktion: Sabine Kinkartz