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Putins Doktrin für die Ukraine

Bernd Johann, Leiter der Ukrainischen Redaktion4. März 2014

Mit militärischer Macht schafft Russland Fakten, die nicht nur auf der Krim die Souveränität der Ukraine bedrohen, meint Bernd Johann.

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Bernd Johann, Leiter der Ukrainischen Redaktion der Deutschen Welle (Foto: DW)
Bild: DW/P. Henriksen

Während die Welt den Atem anhielt, weil ein Krieg um die Krim nur noch eine Frage von Stunden zu sein schien, schwieg Wladimir Putin beharrlich. Jetzt hat der russische Präsident sein tagelanges Schweigen gebrochen. "Russland erwägt keinen Anschluss der Krim", sagte er ganz entspannt vor Journalisten in Moskau. Dabei hat Russland mit militärischer Macht in den letzten Tagen Fakten geschaffen, die die Souveränität und Integrität der Ukraine nicht nur auf der Krim verletzen.

Größere Truppenkontingente musste Putin dafür nicht auf die Krim entsenden. Sie waren längst da. Tausende Soldaten der russischen Schwarzmeerflotte sind dort ohnehin stationiert. Hinzu kamen noch bewaffnete Männer ohne Kennzeichnung auf der Uniform und schon waren die ukrainischen Kasernen auf der Krim umstellt und eine neue Moskau-treue Marionettenregierung installiert. Es ist schon mehr als zynisch, wenn Putin jetzt formuliert, es gebe daher derzeit keine Notwendigkeit für den Einsatz von Streitkräften.

Einmischung in Nachbarstaaten

Denn tatsächlich hat die russische Armee die Kontrolle über die Krim bereits übernommen. Faktisch hat sich die Halbinsel am Schwarzen Meer in den letzten Tagen von der Ukraine gelöst. Es ist wohl nur noch eine Frage von wenigen Wochen, bis sich die Krim infolge der geplanten Volksabstimmung über den künftigen Status endgültig dem Zugriff der Regierung in Kiew entzieht.

Doch der Kreml-Chef will mehr. Und er formuliert seine Ziele auch ganz offen. Russland behalte sich das Recht vor, alle vorhandenen Mittel zu nutzen, wenn es in östlichen Regionen der Ukraine zu Unruhen komme. In der Ukraine habe es einen verfassungswidrigen und bewaffneten Umsturz gegeben. Die neue Führung in Kiew habe keine Legitimität, um über die Zukunft der gesamten Ukraine zu entscheiden.

Damit hat Putin seine Position klar umrissen und könnte als "Putin-Doktrin" in die Geschichtsbücher eingehen. Die Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates ist nach Ansicht von Putin erlaubt. Wenn Russland nicht bereit ist, einen Machtwechsel in einem Nachbarland zu akzeptieren, dann kann es jederzeit eingreifen - zur Not auch mit militärischer Gewalt. Vom Parlament hat Putin sich den Blankoscheck für eine solche Politik ausstellen lassen. Sie macht ein militärisches Eingreifen im Gebiet der gesamten Ukraine möglich.

Bruch des Völkerrechts

Vielleicht wird Putin den Westen und das Zentrum der Ukraine mit der Hauptstadt Kiew in Ruhe lassen, weil ihm klar ist, dass die Menschen dort massiven Widerstand leisten würden. Aber im bevölkerungsreichen Osten mit seinem höheren Anteil ethnischer Russen könnte Putin es wagen sich einzumischen. Ein angebliches Hilfeersuchen - wie auf der Krim - könnte als Vorwand genügen. Die Lage dort ist nach dem Machtwechsel in Kiew weiter sehr unklar. Die neue ukrainische Führung ringt dort noch um Anerkennung.

Zwar zeigt Putin sich nach tagelangem Schweigen erstmals auch gesprächsbereit. Aber der Europäischen Union und den USA dürfte nun klar sein, dass Putin kompromisslos darauf pochen wird, dass die Ukraine zum russischen Einflussbereich gehört. Dafür scheut er weder einen Bruch des Völkerrechts noch der bestehenden bilateralen Abkommen zwischen Russland und der Ukraine.