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Pakistan leert seine Todeszellen

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Florian Weigand
4. August 2015

Die Hinrichtung eines Pakistaners verursacht einen Aufschrei. Die Wiederaufnahme der Exekutionen als Mittel im Kampf gegen den Terror - das ist ein populistischer Vorwand, meint Florian Weigand.

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Die Eltern von Shafqat Hussain mit einem Foto ihres Sohnes (Foto: Getty Images/AFP/S. Qayyum)
Bild: Getty Images/AFP/S. Qayyum

Um es klar zu sagen, ich bin gegen die Todesstrafe. Sie ist in der Essenz unmenschlich, denn sie bürdet – und das wird oft vergessen - auch den Richtern eine ungeheure Verantwortung auf, wenn sie über Leben und Tod entschieden müssen, vor allem, wenn es auch nur den geringsten Zweifel an der Schuld gibt.

Die pakistanische Justiz scheint diese Verantwortung ohne großes Federlesens schultern zu wollen. Seitdem das Moratorium für die Exekutionen im Dezember vergangenen Jahres aufgehoben wurde, traten 180 Personen vor den Henker. Weitere 8000 warten noch auf dasselbe Schicksal. Und es trifft nicht nur mutmaßliche Terroristen. Für jene war die Todesstrafe eigentlich wieder eingeführt worden, als ein Terrorkommando im Dezember 2014 eine Schule in Peshawar attackierte und 150 Schüler niedermähte.

Florian Weigand, Leiter der DW-Urdu-Redaktion (Foto: DW)
Florian Weigand leitet die Urdu-Redaktion der Deutschen Welle

Leider zeigt sich nun, dass die Befürworter der Todesstrafe dieses schreckliche Ereignis als einen populistischen Vorwand nahmen für eine allgemeine Wiederaufnahme von Exekutionen. Schlimmer noch: Todesurteile werden, wie der Fall von Shafqat Hussain überdeutlich zeigt, auch dann vollstreckt, wenn es Zweifel an der Schuld des Delinquenten gibt. Pakistan scheint die Todeszellen leer räumen zu wollen.

Und es trifft, wie leider auch anderswo auf der Welt, die Unterprivilegierten. Shafqat Hussain stammt aus einer armen Familie im hintersten Kaschmir, am Rand des Himalayas. Eine Geburtsurkunde, die beweisen könnte, dass er zum Tatzeitpunkt minderjährig war, existiert nicht. Geld für eine wirkungsvolle, professionelle Verteidigung vor Gericht kann die Familie nicht aufbringen. Und selbst die Forderungen der UN, den Fall noch einmal zu prüfen, ließen die pakistanischen Richter kalt.

Diese Mischung aus Armut, zweifelhafter Prozessführung und Missachtung internationaler Kritik ist ein verheerendes Signal für ähnlich gelagerte Fälle. Weltweiten Widerhall fand zum Beispiel die Causa Asia Bibi. Sie wird als Angehörige der christlichen Minderheit beschuldigt, Blasphemie gegen den Islam begangen zu haben - in Pakistan ein todeswürdiges Verbrechen. Auch hier gibt es lediglich nur Anschuldigungen. Und auch sie kommt aus ärmlichen Verhältnissen und hat bestenfalls eine rudimentäre Bildung genossen. Einen teuren Anwalt kann sie sich nicht leisten, und für einen Verteidiger ist der Einsatz für Asia Bibi zudem lebensgefährlich, setzt er sich dem Verdacht aus, einen „Blasphemer“ zu schützen. So versuchen auch hier internationale Menschenrechtsgruppen, in die Bresche zu springen, selbst der Papst hat sich für die Glaubensschwester verwendet.

Verfahren die Richter weiter wie im Fall Shafqat Hussain, könnte Asia Bibi das nächste Opfer der pakistanischen Justiz werden. Schlimmer noch: Auf der neuen Welle der Exekutionen könnten auch jene reiten, die sich schon immer politischer Gegner oder auch störender Bauern und kleiner Leute bei Landstreitigkeiten oder sonstigen privaten Fehden entledigen wollten.

Auch deshalb müssen die Exekutionen sofort gestoppt werden - nicht nur in Pakistan. Denn wer unschuldig hinter Gitter kommt, kann später, wenn sich die Verhältnisse ändern, wenigstens entlassen und entschädigt werden. Eine Hinrichtung ist unumkehrbar.