1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ost-NATO wächst zusammen

Schwartz Robert Kommentarbild App
Robert Schwartz
5. November 2015

Neun mittel- und osteuropäische NATO-Staaten haben in Bukarest zusätzliche Maßnahmen zur Sicherung der östlichen Bündnisflanke gefordert. Ein mutiger Schritt, meint Robert Schwartz.

https://p.dw.com/p/1H0aU
Symbolbild Nato
Bild: picture-alliance/UPPA W. Dabkowski

Die Staatschefs der neun mittel- und osteuropäischen NATO-Länder haben einen gemeinsamen Sprung ins kalte Wasser gewagt. In der Erklärung, die sie bei ihrem Mini-Gipfel in Bukarest unterzeichnet haben, fordern sie einstimmig neue Vorkehrungen, die in der gegenwärtigen angespannten regionalen Sicherheitslage schnelle und angemessene Reaktionen ermöglichen sollen.

Die Botschaft der Staatschefs aus den vier Visegrad-Staaten (Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn), den Baltischen Staaten (Estland, Lettland, Litauen) sowie aus Bulgarien und Rumänien richtet sich in erster Linie an die Allianz. Aus ihrer Sicht handelt die NATO zu zögerlich, um die Beschlüsse des letzten großen Gipfels vom September 2014 umzusetzen. Damals wurden vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine Maßnahmen geplant, um die östlichen Mitgliedsstaaten vor einer möglichen aggressiven Haltung Russlands zu schützen. Es ging vor allem um gemeinsame Manöver und eine schnelle Eingreiftruppe in der Region.

Schwartz Robert Kommentarbild App
Robert Schwartz leitet die Rumänische Redaktion der DW

Dass die neun östlichen NATO-Partner jetzt eine gemeinsame Erklärung unterschrieben haben, ist ein Novum. Polen, Rumänien und den Balten ist es offensichtlich gelungen, auch die restlichen drei Staaten mit ins Boot zu holen. Die Slowakei, Tschechien und Ungarn waren bisher zurückhaltender, wenn es um Russland ging. Allerdings ist diese Erklärung nur ein erster Schritt in eine Richtung, die erst beim NATO-Gipfel im nächsten Jahr in Warschau konkreter werden dürfte.

Befürchtungen ernst nehmen

Die östlichen Partner wünschen sich neben den 2014 beschlossenen Maßnahmen auch permanente Stützpunkte in ihren Ländern. Doch dieser Wunsch blieb auch in Bukarest unausgesprochen. In der Erklärung fehlt jeglicher direkter Hinweis darauf, wohl mit Rücksicht auf Deutschland und Frankreich, die ihr Verhältnis zu Russland nicht überstrapazieren wollen.

Gerade deshalb sollten die "alten" NATO-Staaten die Forderungen ernst nehmen. Die "Neuen" haben dem Bündnis einen Ball zugespielt, den alle Mitglieder auffangen sollten: Die Ostflanke dürfe nicht nur eine "vorübergehende Priorität" bleiben, sondern solle in die Strategie der Allianz einfließen, hieß es in Bukarest. Und der rumänische Gastgeber Klaus Iohannis legte zur Beruhigung nach: Man habe sich darauf geeinigt, dass ein Dialog mit Russland "auf der Grundlage eines gemeinsamen Verständnisses vom Respekt internationalen Rechts" neu beginnen solle.

Die USA und Westeuropa müssen die Befürchtungen ihrer osteuropäischen Partner ernst nehmen. Die Gefahr ist groß, dass bei einer Missachtung dieser wichtigen regionalen Initiative die NATO ein ähnliches Schicksal ereilt wie die Europäische Union. Viele Osteuropäer fühlen sich auch Jahre nach ihrem Beitritt immer noch wie Bürger zweiter Klasse. EU- und NATO-Verdrossenheit wären der perfekte Nährboden für eine aggressive russische Propaganda, die in der Region immer stärker um sich greift. Das weiß man in Brüssel, das weiß man auch in Berlin oder Paris. Und gerade deshalb wäre es nicht zu viel verlangt, den östlichen Partnern stärker unter die Arme zu greifen.