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Politik

Nur Reformen können der Türkei helfen

Erkan Arikan Kommentarbild App
Erkan Arikan
2. Januar 2019

Außenpolitisch gibt sich die Türkei als "Global Player". Innenpolitisch hat sie das Wort "Demokratie" aus dem Wortschatz gestrichen. Der Glanz der frühen Erdogan-Jahre ist verblasst, meint Erkan Arikan.

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Erdogan bei AKP-Sitzung
Bild: Reuters/Presidential Press Office/M. Cetinmuhurdar

Seit dem versuchten Putsch vom 15. Juli 2016 ist die Türkei ein anderes Land. Der Putschversuch und seine Folgen nagen am Demokratieverständnis des Landes und treiben es in eine Dunkelheit, die das Land und seine Führung immer unberechenbarer macht. Was einst wie ein Durchmarsch in die EU-Vollmitgliedschaft aussah, entpuppt sich mit den Jahren als Sackgasse. Das Ende des Ausnahmezustandes, der über zwei Jahre andauerte, wurde innerhalb der Europäischen Union mit einer gewissen Erleichterung aufgenommen. Doch der Aufruf aus Brüssel, festgenommene Politiker, Journalisten und Menschenrechtler freizulassen und so schnell wie möglich die Reformprozesse fortzuführen, verhallt ergebnislos auf den Gängen von Erdogans Präsidentenpalast.

"Die EU soll uns so nehmen, wie wir sind, sonst werden wir unseren eigenen Weg gehen", sagt Staatspräsident Erdogan bei jeder Gelegenheit. Ihm ist durchaus zuzutrauen, 2019 ein Referendum durchzuführen und den Beitrittsprozess selbst zu beenden, um innenpolitisch als starker Mann dazustehen, der Brüssel die Stirn bietet. Von seinem Vorhaben wäre der Staatspräsident nur abzuhalten, sollten die festgefahrenen Beitrittsverhandlungen fortgesetzt und weitere Kapitel eröffnet werden. Aber das ist nur schwer vorstellbar. Aus dem Außenministerium in Ankara ist jetzt schon zu hören, dass "im neuen Jahr zwischen der Türkei und der EU wieder ein auf und ab" zu erwarten sei.

Ankaras Dilemma mit seinen Partnern

Eines der kritischsten Themen für Ankara wird im kommenden Jahr zweifellos der Syrienkrieg sein. Der Bürgerkrieg, der mittlerweile im achten Jahr ist, dürfte sich weiter fortsetzen, erst recht, seit Präsident Trump angekündigt hat, die US-amerikanischen Streitkräfte abzuziehen. Hinzu kommt, dass sich Ankara demnächst entscheiden muss, ob man sich Russland und den neu erworbenen S-400-Raketen zuwendet, oder ob das NATO- Mitglied, das neue Kampfjets vom Typ F-35 in den USA bestellt hat, Washington weiter als strategischen Partner ansieht.

Sollte 2019 tatsächlich in Syrien gewählt, bleibt abzuwarten, wie sich die Türkei bei einer Wiederwahl Assads aufstellt. Aus diplomatischen Kreisen in Ankara war kürzlich zu hören, dass "alle Wege nur über den Dialog mit dem syrischen Staatspräsidenten führen". Daran wird sich Ankara messen lassen müssen. Nur: mit welchem Partner?

Ohne stabile Wirtschaft kein zufriedenes Volk

In einem aktuellen Bericht der OECD heißt es, dass das weltweite Wirtschaftswachstum seinen Höhepunkt erreicht habe, dass sich das globale Wachstum verlangsamen werde. In diesem Bericht wird auch festgehalten, dass die türkische Wirtschaft voraussichtlich um 0,4 Prozent schrumpfen wird. Dieser Rückgang wird auch die einheimischen Unternehmen treffen, was dann als mögliche Hauptursache für einen Anstieg der Arbeitslosigkeit hindeutet.

Erkan Arikan
Erkan Arikan, Leiter der türkischen Redaktion der DWBild: DW/B. Scheid

Der türkische Finanzminister Berat Albayrak veröffentlichte dagegen jetzt schon im sogenannten Mittelfristplan seine eigene Wirtschaftsprognose - dieser Plan sollte eigentlich erst im kommenden August erscheinen. Demnach werde das türkische Wirtschaftswachstum für 2019 eine Steigerung von drei bis vier Prozent erleben. Wie Albayrak auf diese Zahlen kommt, bleibt sein Geheimnis. Wenn man den Aussagen der meisten Ökonomen in der Türkei Glauben schenken darf, werden die Preise für Wohnraum und Nahrung weiter ansteigen. Dies wird besonders diejenigen treffen, die an der Armutsgrenze leben. Wir sprechen hier von fast 17 Millionen Menschen.

Nach dem versuchten Putsch hat der Ausnahmezustand viele Investoren aus dem Ausland verschreckt. Auch nach der Aufhebung der Ausnahmezustand unternehme die Türkei keine sichtbaren Anstrengungen, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, sagen führende Experten. Am wichtigsten seien demokratische Reformen. Ankara habe Europa, und Deutschland an erster Stelle, das Versprechen zu Reformen gegeben. 2019 wird zeigen, wie schnell Erdogan sein Versprechen umsetzt bzw. einhält.