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Politik

Nigers Präsident - ein Freund, der Fragen aufwirft

Thomas Mösch
Thomas Mösch
15. August 2018

Niger gilt als ein Partner, mit dem sich die Europäer gerne zeigen. Präsident Issoufous Land ist eine relativ stabile Demokratie. Doch die gerät immer mehr unter Druck, warnt Thomas Mösch.

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Dürre im Niger
Bild: picture-alliance/dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt sich offensichtlich gerne mit Mahamadou Issoufou aus dem Niger – und der sich mit ihr. In dieser Woche kommt der Präsident aus Niamey bereits zum dritten offiziellen Staatsbesuch seit 2013. Auch bei internationalen Konferenzen, wie zuletzt im vergangenen Jahr zur Afrika-Konferenz der G20, ist Issoufou ein gern gesehener Gast in Berlin. Merkel besuchte ihn 2016 in Niamey und versprach abermals mehrere Millionen Euro an zusätzlichen Entwicklungsgeldern sowie Ausrüstung für die Armee. Seither gibt es dort auch eine Angela-Merkel-Schule.

Niger gilt als zuverlässiger Partner

Die Republik Niger, eines der ärmsten Länder der Welt, gilt sowohl in Berlin als auch in Brüssel als zuverlässiger Partner in der Sahel-Region. Das Land ist umgeben von deutlich weniger attraktiven Staaten: Mali und Libyen kämpfen um ihre staatliche Existenz; im Süden drängen die Terroristen von Boko Haram aus Nigeria immer mal wieder über die Grenze; und im Osten gilt der Tschad mit seinem diktatorisch regierenden Präsidenten Idriss Déby keineswegs als der Partner, mit dem man sich gerne zeigt.

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Thomas Mösch leitet die Haussa-Redaktion der DW

Europa ist deshalb froh, dass der Niger sich bisher erfolgreich dagegen wehrt, in den Strudel der Konflikte der Region hineingezogen zu werden. Noch mehr freuen sich die Europäer darüber, dass die Regierung in Niamey die offiziellen Transitwege für Migranten Richtung Norden weitgehend verstopft hat. Und an den Grenzen zu Mali und Nigeria führt Nigers Militär einen zwar ab und an blutigen, aber insgesamt doch erfolgreichen Abwehrkampf gegen die Terroristen aus beiden Ländern.

Merkel und Issoufou brauchen einander

Kanzlerin Merkel hat also gute Gründe, Issoufou dankbar zu sein. Wenn sie sich mit ihm zeigt, signalisiert sie auch im Inland: Seht her, ich arbeite erfolgreich daran, die Migrations-Wege zu schließen. Umgekehrt gibt das Interesse Berlins an stabilen Verhältnissen im Niger Issoufou die Möglichkeit, sich ein wenig aus der Umklammerung der früheren Kolonialmacht Frankreich zu lösen. Damit sendet der Präsident ebenfalls Signale nach innen: Seht her, ich erschließe neue Einkommensquellen und mache uns insgesamt unabhängiger.

Kritik unerwünscht

Eine Win-Win-Situation also? Für die beiden Regierungschefs vielleicht. Die Zeche dafür zahlen allerdings andere: Zum einen die Migranten, die nun auf inoffiziellen Wegen durch die Wüste reisen und dabei – fernab der Weltöffentlichkeit – zu Hunderten sterben. Zum anderen diejenigen im Niger, die den Versprechungen des Präsidenten nicht trauen und ihn als Handlanger ausländischer Interessen kritisieren. Je mehr Issoufou nämlich Hilfe aus Berlin und Brüssel bekommt, desto empfindlicher scheint er auf Kritik zu reagieren. Wer sich ihm in den Weg stellt, landet schnell hinter Gittern oder im Exil. Den letzten Wahlkampf 2016 musste einer der wichtigsten Gegenkandidaten, Hama Amadou, aus dem Gefängnis heraus führen. Und im Frühjahr 2018 ließ die Regierung fast alle Köpfe der lautstarken Bürgerrechtsorganisationen für mehrere Monate im Gefängnis verschwinden, als diese nicht davon ablassen wollten, gegen das neue Haushaltsgesetz zu protestieren.

Selbst die Pressefreiheit, für die Niger in der Vergangenheit viel Lob erhielt, gerät zunehmend unter Druck. Immer wieder geraten einzelne Journalisten ins Visier der Sicherheitskräfte oder der Justiz, wie ein Blick auf die Webseiten der Organisation "Reporter ohne Grenzen" zeigt. Ein besonders krasses Beispiel ist der frühere Leiter des "Hauses der Presse", Baba Alpha, der wegen angeblich widerrechtlicher Erlangung der nigrischen Staatsbürgerschaft zuerst verurteilt und dann nach Mali abgeschoben wurde.

EU-Schutzschirm für Demokratie-Abbau?

So entsteht leider der Eindruck, dass Mahamadou Issoufou und seine Regierungspartei PNDS die neue internationale Bedeutung des Landes für die Europäer ausnutzen, um unter dem Schirm der Antiterror- und Antimigrationspolitik im Inland die Demokratie auszuhöhlen. Ihr Ziel: ihre Macht auch über das Ende der zweiten und eigentlich letzten Amtszeit Issoufous im Jahr 2021 hinaus zu sichern.

Angela Merkel sollte dieses Spiel nicht mitspielen, sondern ihrem Kollegen deutlich machen, dass die Interessen Deutschlands im Sahel nicht auf dem Rücken von Demokratie und Menschenrechten durchgesetzt werden dürfen. Und Präsident Issoufou sollte eigentlich selbstbewusst genug sein, seine starke Position im Ausland und seine durchaus vorhandenen Errungenschaften im Inland dafür zu nutzen, auf seine Kritiker zuzugehen. Die Hardliner in seiner Regierung muss er endlich in die Schranken weisen und allen Nigrern klar machen, dass es ihm nicht um einen Machterhalt um jeden Preis geht.