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Kommentar: Neue Partnerschaftspolitik gefragt

Bernd Riegert5. April 2014

Die EU-Außenminister haben mit dem Nachdenken über die Politik gegenüber östlichen Nachbarn in Athen begonnen. Eine neue Strategie muss schnell kommen und sie muss auf Russland Rücksicht nehmen, meint Bernd Riegert.

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Porträt von Bernd Riegert (Foto: DW/Per Henriksen)

Die östliche Partnerschaft, also die Annäherung der Europäischen Union an die Nachbarstaaten Weißrussland, Ukraine, Moldawien, Georgien, Armenien und Aserbaidschan, hat den Europäern bislang wenig Freude gemacht. Dabei war doch alles so gut gemeint, aber wohl nicht gut genug gemacht. 2004 nach der Erweiterung der EU um sieben osteuropäische Staaten sowie Slowenien, Zypern und Malta entwickelte die EU auf polnische Initiative hin eine neue Politik für die neuen Nachbarstaaten. Einen Schub erhielt das Projekt sowohl durch die Orange Revolution in der Ukraine 2004 als auch durch den russischen Sieg über Georgien im Sommer 2008 im Krieg um Südossetien.

Die EU bezeichnete 2008 die östliche Partnerschaft in einem Gipfel-Dokument als Reaktion auf das als völkerrechtswidrig empfundene Vorgehen Russlands gegen Georgien. 2009 dann wurde die östliche Partnerschaft offiziell in Prag bei einem Gipfeltreffen aus der Taufe gehoben. Schon damals reagierte die russische Führung sehr ablehnend. Der damalige Präsident Dmitri Medwedew mutmaßte, die EU wolle sich die Staaten aus dem post-sowjetischen Raum unter den Nagel reißen, die eigentlich zum natürlichen Einflussgebiet Russlands gehörten. Dieses Denken in imperialen Einflussbereichen ist also keineswegs eine neue Entwicklung. Es tritt nur in der aktuellen Ukraine-Krise wieder offen zutage.

Russland denkt in alten Kategorien

Der heutige Präsident Wladimir Putin denkt wie ein Zar oder ein Sowjet-Herrscher, der sein Reich schützen und ausbauen muss. Die vorgelagerten Staaten sind sein Puffer zum bösen Westen. Dieses tief verwurzelte Denkschema hat die Europäische Union bei ihren treuherzigen Angeboten an die neuen Nachbarn wohl sträflich vernachlässigt oder ganz ignoriert. Vielleicht hatte man gehofft, die Russen würden sich wandeln. Schließlich wurde auch Russland von der EU das Mitwirken in der östlichen Partnerschaft zunächst angeboten. Moskau verzichtete aber und konzentrierte sich auf die Aushandlung eines eigenen strategischen und wirtschaftlichen Partnerschaftsabkommen mit der Europäischen Union. In Brüssel gab man sich der Illusion hin, damit würde Russland und Putin schon zufrieden sein.

Doch die Verhandlungen zum Partnerschaftsabkommen mit Russland zogen sich hin. Zu unterschiedlich waren die Positionen der beiden Seiten in vielen Einzelfragen. Parallel dazu trieb die EU die Annäherung an die Ukraine, Moldawien, Georgien und anfänglich auch Weißrussland weiter voran. Das erregte in Moskau noch mehr Neid und Missgunst. Jetzt liegen Assoziierungsabkommen im Rahmen der östlichen Partnerschaft auf dem Tisch: Ukraine, Georgien und Moldawien. Zwei Ländern davon hat Russland bereits einen Teil ihres Territoriums genommen, um Fakten zu schaffen. Wenn sich dieses Schema fortsetzt, müsste der Herrscher im Kreml als nächsten Schritt eigentlich Moldawien düpieren und das abtrünnige Transnistrien endgültig von Moldawien trennen. Die östliche Partnerschaft war also bislang weder für die EU noch für die Staaten, die mitmachen ein politisches Glückslos.

Druck aus dem Kessel nehmen

Deshalb tun die EU-Außenminister gut daran, jetzt dringend die Grundlagen und Prinzipien dieser Nachbarschaftspolitik zu überdenken. Der einzige Weg, die laufende Krise zu entschärfen und weitere Krisen zu vermeiden scheint zu sein, auf Russland zuzugehen, auch wenn der erste Impuls eigentlich wäre, Härte zu zeigen. Schließlich hat die EU die östlichen Partner ja nicht gezwungen, bei der Initiative mitzumachen. Das geschieht freiwillig. Russland ist das einzige Land, das hier Zwang ausübt, und zwar unmittelbaren Zwang durch militärische Gewalt. Wenn man klugerweise nicht mit Gegengewalt antworten will und kann, bleiben nur Verhandlungen, Gespräche, Diplomatie.

Dabei wird die EU sogar in Kauf nehmen müssen, dass mit der Krim nach Transnistrien und Südossetien ein weiterer "gefrorener" Konflikt an ihrer Grenze entsteht. Russland hat sich ein Faustpfand genommen, den es nicht so schnell wieder hergeben wird. Den Europäern bleibt nun nichts übrig, als aus der östlichen Partnerschaft etwas Geschwindigkeit herauszunehmen, um Russland nicht unnötig zu reizen. Eine sofortige Unterzeichnung der Abkommen mit Georgien oder Moldawien wäre wahrscheinlich das falsche Signal.

Abwarten bis Putin geht

Es fällt schwer, das zu akzeptieren; denn das Prinzip der Selbstbestimmung der Völker steht auf dem Spiel. Russland, das unbedingt wieder die unbesiegbare Großmacht und den Kalten Krieger geben will, sitzt heute am längeren Hebel. Im Laufe der Zeit aber wird sich Europa, wird sich der freie Wille der betroffenen Völker im Gürtel um Russland durchsetzen. Vielleicht muss man so lange Warten bis Putin Geschichte ist oder eine Wirtschaftskrise Russland zur politischen Vernunft zurückzwingt.

Und dann wäre da noch die Frage, auf die die EU auch dringend eine Antwort finden muss: Was ist eigentlich mit Weißrussland, wenn der dortige Machthaber Alexander Lukaschenko seinen Kurs ändert? Bislang unterhielt er weder mit Russland noch der EU gute Beziehungen. Jetzt soll Lukaschenko eingeräumt haben, dass er die russische Führung in seine Entscheidungen einbezieht. Muss Belarus sich zwischen Ost und West entscheiden? Kann es mit der EU und Russland gleichzeitig anbandeln oder wird Russland Fakten schaffen und eine Wiedervereinigung mit dem "Brudervolk" inszenieren?