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Drohungen getrotzt

Matthias von Hein23. Oktober 2008

Der chinesische Bürgerrechtsaktivist Hu Jia hat den angesehenen Sacharow-Preis für geistige Freiheit erhalten - trotz massiver chinesischer Drohungen. Eine richtige Entscheidung, meint Matthias von Hein.

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Bild: DW
Matthias von Hein
Matthias von Hein

Das europäische Parlament hat sich nicht einschüchtern lassen durch die Drohungen der chinesischen Führung. Es hat den Sacharow-Preis einem Menschen zuerkannt, der diesen Preis für "geistige Freiheit" durch sanften, aber unerbittlichen Widerstand mehr als verdient hat. Verhaftungen, Hausarrest - all das konnte den 35-jährigen nicht einschüchtern.

Kurzer Prozess

Während Wachposten vor seiner Tür standen, sein Telefon abgehört wurde, beteiligte sich Hu noch im November 2007 über das Internet an einer Anhörung des Europa-Parlamentes. Da sparte er nicht mit Kritik an den Menschenrechts-Verstößen in China, sprach von einer Menschenrechts-Katastrophe im Olympia-Land. Als einen Monat später die meisten ausländischen Korrespondenten in den Weihnachtsferien waren, wurde Hu Jia verhaftet. In Rekord-Tempo wurde ihm der Prozess gemacht, bereits im April.

Auch die Verhandlung selbst verlief im Rekord-Tempo: Gerade einmal einen Tag brauchten die chinesischen Richter, um ihn wegen "umstürzlerischer Machenschaften" zu dreieinhalb Jahren Haft zu verurteilen. Das Ergebnis dieses Schein-Prozesses reichte aber dem chinesischen Außenministerium, um Hu Jia als Kriminellen zu verurteilen und die Preisverleihung an ihn als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas zu geißeln.

Schwieriger Zeitpunkt

So richtig es ist, Hu Jia den Sacharow-Preis zu verleihen, so schwierig ist der Zeitpunkt der Bekanntgabe: Während die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in Peking die Normalisierung der deutsch-chinesischen Beziehungen nach dem Zerwürfnis wegen des Dalai-Lama Empfangs vor gut einem Jahr betreibt. Einen Tag, bevor sich auf dem ASEM-Gipfel (Asien-Europa Gipfel) über 40 Staatschefs über Lösungsansätze für die Wirtschafts- und Finanz-Krise austauschen. Aber China hat mit seinen 1900 Milliarden Dollar Devisen-Reserven nicht nur einen mächtigen Hebel in der Hand. Es ist trotz seines abgeschotteten Banken-Systems von der Krise massiv betroffen.

Der chinesische Aktien-Index hat 65 Prozent seines Wertes eingebüßt. Die Exporte brechen ein. Schon demonstrieren entlassene Arbeiter vor geschlossenen Spielzeug-Fabriken in Südchina. Auch Peking scheint in der Krise gelernt zu haben, wie sehr wir alle voneinander abhängen. Nur so lässt sich erklären, dass der chinesische Außenamtssprecher nach seiner Kritik am EU-Parlament überraschend sanfte Töne anschlug: Er erklärte, der Sacharow Preis für Hu Jia werde den ASEM-Gipfel nicht stören.

Universelle Menschenrechte

Vielleicht hat die chinesische Führung inzwischen ja begriffen, dass europäische Parlamente nicht mit dem chinesischen Volkskongress zu vergleichen sind. Sie führen ein Eigenleben als echte Vertretung der Bürger - unabhängig von den Regierungen. Jedenfalls ist in Peking so viel Gelassenheit selten bei Kritik von außen.

Vielleicht ist es ja naiv, aber schön wäre es schon: wenn sich nach der Einsicht in die Notwendigkeit eines gemeinsamen Vorgehens in der Finanz-Welt eine weitere Einsicht durchsetzte: dass in dieser globalisierten Welt eben auch die Menschenrechte universell gelten. Und dass Menschen wie Hu Jia nicht ins Gefängnis gehören, sondern als Helden gefeiert werden müssen.