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Politik

Lieber Worthülsen als Patronenhülsen

16. April 2018

Deutschland lehnt ein militärisches Eingreifen im syrischen Bürgerkrieg ab, begrüßt aber die US-geführten Luftangriffe gegen das Assad-Regime. Ein Widerspruch? Nur bedingt, meint Marcel Fürstenau.

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USA UN-Sicherheitsrat - Syrienkonflikt
Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates nach dem Luftangriff auf Syrien durch die USA und VerbündeteBild: picture alliance/Xinhua/L. Muzi

"Deutschland wird sich nicht militärisch beteiligen", sagte die Bundeskanzlerin am vergangenen Donnerstag mit Blick auf einen möglichen Militärschlag westlicher Staaten gegen das mörderische Assad-Regime in Syrien. Merkels kategorisches Nein war allerdings erkennbar keine grundsätzliche Absage an eine militärische Reaktion der USA und ihrer Verbündeten. Denn Merkel fügte hinzu:  "Wir sehen und unterstützen, dass alles getan wird, um Zeichen zu setzen, damit dieser Einsatz von Chemiewaffen nicht akzeptabel ist."

Diese Formulierung ließ zumindest erahnen, dass es bald einen US-geführten Vergeltungsangriff wegen des mutmaßlichen syrischen Giftgas-Einsatzes gegen die eigene Bevölkerung geben würde. Denn was sonst sollten "Zeichen" sein, wenn sich der Machthaber in Damaskus gegen wortgewaltige Drohgebärden des Westens seit Jahren immun zeigt? Dass Merkel über den keine zwei Tage später erfolgten Raketenbeschuss Syriens im Bilde war, ist gewiss keine gewagte Unterstellung.

Deutsches Militär war und ist gar nicht nötig

Und dass Amerikaner, Briten und Franzosen bei der angeblichen Zerstörung kriegswichtiger Anlagen zur Herstellung von Chemiewaffen keine deutsche Hilfe benötigten, ist ebenfalls eine zulässige Vermutung. Merkel wird also froh gewesen sein, sich in dieser Frage gegenüber ihren Partnern in Washington, London und Paris gar nicht erst rechtfertigen zu müssen. Donald Trump, Theresa May und Emmanuel Macron konnten sich ihrerseits auf die verbale Unterstützung aus Berlin verlassen: "Der Militäreinsatz war erforderlich und angemessen", lobte Merkel wenige Stunden nach dem Luftangriff mit mehr als 100 Raketen.

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
DW-Redakteur Marcel FürstenauBild: DW

Im Unterschied zu ihrer unbegründeten Ablehnung einer deutschen Beteiligung erläuterte indessen die Kanzlerin recht ausführlich, warum sie den Raketenbeschuss begrüßte: "um die Wirksamkeit der internationalen Ächtung des Chemiewaffeneinsatzes zu wahren und das syrische Regime vor weiteren Verstößen zu warnen." Das kann man überzeugend finden, aber auch wohlfeil. Denn wenn Merkel schon das westliche Eingreifen befürwortet, drängt sich die ewig gestellte Frage auf: Warum bleibt Deutschland dann wieder einmal außen vor? Diese Antwort blieb Merkel schuldig.

Es ist das alte Dilemma: Wenn es ernst wird, sollen die Anderen den markigen Sprüchen Taten folgen lassen. Und trotzdem ist es gut, wenn Merkel derart laviert. Nur so hält sich Deutschland eine Hintertür offen, um bei der Suche nach einer diplomatischen Lösung als Vermittler auftreten zu können. Die Vereinten Nationen fallen dafür offenkundig aus, weil sich die ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates gegenseitig blockieren.

Deutsche Diplomatie könnte noch gefragt sein

Gegen das im Syrien-Krieg mit Assad verbündete Russland sind die USA, Großbritannien und Frankreich auf diplomatischer Ebene machtlos. Assads Vorteil besteht darin, Syrien inzwischen wieder weitgehend unter Kontrolle zu haben. Wie es aber in dem zerstörten Land weitergehen soll, wann und mit wem es wieder aufgebaut werden soll - diese und andere Fragen stellen sich drängender denn je. Deutschlands Außenminister Heiko Maas hat recht: Es kann nur eine politische Lösung geben. Und vor allem: "Ob es einem gefällt oder nicht - ohne Russland wird man diesen Konflikt nicht lösen können."

Maas sagte aber auch, jemand, der Chemiewaffen einsetze, könne nicht Teil der Lösung sein. Soll heißen: Assad muss außen vor bleiben. Sollte eine solche Lösung tatsächlich gelingen, wäre es eine diplomatische Meisterleistung. Dass sich Russland und der Iran darauf einlassen, darf indes bezweifelt werden. Wahrscheinlich hat Maas den Mund zu voll genommen. Dennoch: Worthülsen sind nach sieben Jahren Bürgerkrieg in Syrien allemal besser als weitere Patronenhülsen in Form von Granaten, Raketen oder Giftgas.   

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