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Leichtes Spiel für Massenmörder

Michael Knigge Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Michael Knigge
7. Dezember 2015

Der Anschlag von San Bernardino zeigt, dass auch die USA nicht immun gegen islamistischen Terror sind. Er macht aber vor allem deutlich, dass es für Terroristen zu einfach ist, an Waffen zu kommen, meint Michael Knigge.

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Amerikaner in einem Waffenladen
Bild: picture-alliance/dpa

Im Vergleich zu Europa gelten die amerikanischen Muslime unter Experten bislang als wenig empfänglich für die Botschaft islamistischer Extremisten. Während die Muslime Europas größtenteils aus den ehemaligen Kolonialstaaten stammen, oft schlecht integriert sind und daher häufig am Rande der Gesellschaft leben, ergibt sich bei den US-Muslimen ein anderes Bild: So existiert zum Beispiel keine ethnisch klar dominierende Gruppe, wie in vielen europäischen Ländern. Der Bildungsstand und das Einkommen der amerikanischen Muslime ist nicht nur höher als in Europa, sondern vergleichbar mit dem der US-Gesellschaft. Kurz: Die Muslime in den USA fühlen sich insgesamt als Teil der amerikanischen Gesellschaft und glauben, so zeigen Umfragen, dass der amerikanische Traum auch für sie erreichbar ist.

Die vergleichsweise geringere Attraktivität extremistischer Botschaften für US-Muslime bestätigen auch die Zahlen ausländischer Kämpfer für den sogenannten "Islamischen Staat" in Syrien und dem Irak. Während sich aus den USA bezogen auf die Gesamtbevölkerungszahl nur ein Kämpfer pro Million Einwohner auf den Weg macht, sind es in Belgien 40, in Dänemark 27 und in Schweden 19 - also überall deutlich mehr.

Gemeinsam gegen den Terror

Aber wie der Anschlag von San Bernardino zeigt, sind auch die mehrheitlich gut integrierten amerikanischen Muslime - wie es offenbar der Attentäter war - nicht gänzlich immun gegen extremistischen Botschaften. Schließlich ist der Terrorismus im Zeitalter des Internets tatsächlich global und braucht, wie in San Bernardino, nur einzelne radikalisierten Akteure, um ein Blutbad anzurichten.

Deshalb wäre es auch völlig verfehlt, nun wegen des islamistischen Anschlags in Kalifornien die ansonsten vergleichsweise gelungene Integrationsleistung der USA insgesamt in Frage zu stellen. Im Gegenteil: Gerade jetzt, im Zeichen des Terrors, sind die Amerikaner gleich weder Herkunft oder Religion gefordert zusammenzustehen und sich nicht - wie von den Terroristen gewünscht - gegeneinander ausspielen zu lassen.

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DW-Redakteur Michael Knigge

Der amerikanische Staat hat nicht bei der Integrationspolitik versagt, sondern bei einem zentralen Aspekt der Terrorbekämpfung: In keinem anderen westlichen Land ist es für Attentäter so einfach, an Waffen - genauer gesagt: an Angriffswaffen zur Kriegsführung - zu kommen wie in den USA. Die Terroristen von Paris benötigten ein hohes Maß an krimineller Energie und geheimer Vorplanung, um sich diese Waffen für ihr geplantes Massaker zu beschaffen. Der Attentäter in Kalifornien dagegen kaufte sich die Waffen legal in einem Geschäft, dass für sich als "Family-Friendly Gun Store" wirbt.

Waffenkäufe für potenzielle Terroristen

Alle Versuche und Appelle, zumindest den Verkauf solcher Angriffswaffen zu erschweren, scheitern seit Jahren am amerikanischen Kongress und der Macht der Waffenlobby. Natürlich sind, dies zeigen die Anschläge von Paris, strengere Waffengesetze keine Garantie zur Verhinderung von Terrorismus. Aber genauso klar ist, dass der legale Zugang zu Waffen dieser Art, Massenmorde wie den in San Bernardino nicht erschweren, sondern erleichtern.

Wie schizophren das Thema Waffen in den USA behandelt wird, zeigte eine Abstimmung im Kongress in der vergangenen Woche: Personen, die auf der offiziellen Terrorliste des US-Justizministeriums geführt werden - der sogenannten "no-fly list" und denen deswegen das Reisen mit dem Flugzeug verwehrt wird - dürfen weiterhin Waffen und Munition kaufen. Ein Antrag, diesen potenziellen Terroristen, darunter geschätzt 800 US-Bürger, künftig auch den Kauf von Waffen zu verbieten, fiel im Senat durch. Dass sich an dieser zynischen Politik grundsätzlich etwas ändert, ist nicht zu erwarten.

Im schwierigen und langwierigen Kampf gegen den islamistischen Terrorismus im eigenen Land haben die USA aufgrund ihrer bislang vergleichsweise erfolgreichen Integrationsarbeit zwar eine deutlich bessere Ausgangsposition als die meisten europäischen Länder. Leider gefährdet Washington diese Erfolge selbst, in dem es Fanatikern zu leicht gemacht wird an Waffen zu kommen, um ihre Pläne umzusetzen.

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