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Politik

Lehren aus dem Tsunami

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Hendra Pasuhuk
2. Oktober 2018

Das Tsunami-Frühwarnsystem in Indonesien muss technisch verbessert werden. Vor allem aber müssen die Behörden und die Menschen vor Ort besser auf die Monsterwellen nach Erdbeben vorbereitet werden, meint Hendra Pasuhuk.

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Indonesien Palu Erdbeben und Tsunami zerstört Infrastruktur
Bild: Getty Images/AFP/J. Samad

Wieder hat ein verheerender Tsunami Indonesiens Küste heimgesucht. Diesmal traf es die Region Zentral-Sulawesi, vor allem die Provinz-Hauptstadt Palu und die nächstgrößte Stadt Donggala.

Angesichts von bisher mehr als 1200 Todesopfern wird in Indonesien und dem Ausland die Frage immer lauter, warum die Menschen in den betroffenen Gebieten nicht rechtzeitig vor dem Tsunami gewarnt wurden.

Tsunami-Warnung wieder zurückgezogen

Tatsächlich hat das mit deutscher Hilfe und unter der Leitung des Potsdamer Geoforschungszentrums installierte Tsunami-Frühwarnsystem in Indonesien fünf Minuten nach dem Erdbeben Alarm geschlagen und eine Wellenhöhe von 0,6 bis 3 Metern vorausgesagt. Die indonesische Agentur für Meteorologie, Klimatologie und Geophysik (BMKG) hat eine Tsunami-Warnung herausgegeben, aber nach 37 Minuten wieder zurückgezogen.

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DW-Redakteur Hendra Pasuhuk

Den Hintergrund erklärte der indonesische Experte Widjo Kongko, selbst in Deutschland ausgebildet, in einem DW-Interview: Die zur Messung der Wellenhöhe installierten Sensoren vor der Stadt Palu hätten zur Zeit der Katastrophe nicht funktioniert. Die Experten im Tsunami-Frühwarnzentrum konnten deswegen nur auf Daten von Sensoren zurückgreifen, die in der etwa 400 Kilometer entfernten Stadt Mamuju installiert sind. Diese Sensoren allerdings errechneten eine Wellenhöhe von gerade einmal sechs Zentimetern, weshalb Jakarta die Tsunami-Warnung zurücknahm.

Keine Experte hat die Wellen mit einer Höhe von bis zu sechs Metern vorausgesagt, die in Palu auf Land getroffen sind. Das hat auch damit zu tun, dass die Art des Erdbebens vor Sulawesi unter "normalen" Umständen eigentlich keinen Tsunami verursachen sollte. Wissenschaftler diskutieren daher, ob die K-Form der Insel und die Lage der Stadt Palu in einer Bucht diese ungewöhnliche Wellenhöhe möglich gemacht haben.

Wären Bojen im Meer besser?

Am besten wäre, wenn Indonesien bessere Messgeräte bekäme, welche die tatsächliche Wellenhöhe im Meer messen, und nicht erst am Strand. Solche teure Bojen aus Deutschland wurden 2005 auch in Betrieb genommen, aber leider durch den Vandalismus von Fischern, die wertvolle elektronische Komponenten stahlen, immer wieder zerstört. Auch die aufwändige technische Pflege des Systems wollte sich die zuständige Behörde nicht leisten.

Wie kann sich Indonesien vor diesem Hintergrund besser auf künftige Tsunamis vorbereiten? Denn das Inselreich liegt auf dem sogenannten Pazifischen Feuerring, mit einer dichten Ansammlung von aktiven Vulkanen und tektonischen Verschiebungen, die solche Beben immer wieder auslösen

Nach der großen Tsunami-Katastrophe von 2004, bei der mehr als 130.000 Menschen allein in Indonesien umkamen, wurde in Indonesien die nationale Katastrophenhilfe und -vorsorge neu aufgestellt. Beamte und Behördenvertreter wurden entsprechend geschult. Deutschland hat viele solche Schulungen finanziert.

Die entscheidende "letzte Meile" vor Ort

Entscheidend für ein Frühwarnsystem ist die sogenannte "letzte Meile", also Weitergabe der Information an die unmittelbar Gefährdeten. Wie können möglichst viele von ihnen effektiv erreicht werden? Wie und wohin sollen sich die Menschen in Sicherheit bringen? Und welche Rolle spielen die lokalen Behörden bei alledem?

Auch hier bedarf es klarer Notfallpläne sowie regelmäßiger Übungen. Fluchträume müssen identifiziert und deutlich gekennzeichnet werden. Kurz, es muss ein umfassendes Konzept erarbeitet werden, dass den Menschen und ihrer Lebenssituation vor Ort angepasst ist. Und die Abläufe müssen immer wieder geübt werden.

Den Umgang mit der Katastrophe lernen

Nur so gelangt das notwendige Wissen ins Bewusstsein der verantwortlichen Behörden und der Menschen. Nicht zuletzt sollte der "Umgang" mit Erdbeben und Tsunamis auch in den normalen Schulunterricht in Indonesien integriert werden.

Wichtig sind auch die Stunden und Tage nach einer solchen Katastrophe. Die Schnelligkeit von Hilfe entscheidet hier über Leben und Tod. Die Herausforderungen für einen Inselstaat mit vielen Bergen und unwegsamen sowie abgelegenen Gebieten sind hier besonders groß. Aber das darf keine Ausrede sein, erst gar keine Notfallpläne auszuarbeiten.

Indonesien derart zu modernisieren, wird viel Geld kosten. Aber es geht um Menschenleben. Hier kann das Ausland - auch Deutschland - helfen. Es geht um eine Investition in die Zukunft. Denn der nächste Tsunami kommt bestimmt. Nur weiß eben niemand wo und wann.