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Geradlinig bis zum Schluss

31. Mai 2018

Überraschend tritt Zinedine Zidane als Trainer von Real Madrid zurück. Der Abgang auf dem sportlichen Höhepunkt zeigt seinen tadellosen Charakter, aber auch, dass er cleverer ist als andere, findet Andreas Sten-Ziemons.

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UEFA Champions League Achtelfinale | Paris St. Germain - Real Madrid | Zinedine Zidane
Bild: Reuters/G. Fuentes

Wer Zinedine Zidane in der abgelaufenen Saison bei den Spielen Real Madrids an der Seitenlinie beobachtete, der konnte nicht feststellen, dass der Trainer, der seit seinem Amtsantritt im Januar 2016 von Erfolg zu Erfolg eilt, gerade eine schwere Zeit durchmacht oder besonders unter Druck steht: immer ruhig, immer konzentriert, kein wildes Gestikulieren oder Schimpfen - ab und zu sogar ein entspanntes Lächeln.

Einziger "Lebensanker" Champions League

Und doch war die Saison 2017/2018 für "Zizou" die schwierigste seiner zweieinhalb Spielzeiten bei Spaniens Rekordmeister. Nachdem man in der Saisonvorbereitung noch unerreichbar schien und dem Erzrivalen FC Barcelona im Supercup eine krachende Niederlage beigebracht hatte, lief nach dem Liga-Start fast nichts mehr zusammen. Schnell war klar: Mit der Meisterschaft würde es diesmal nichts werden. Auch im spanischen Pokal kam früh das Aus. Verantwortlich machten die Kritiker vor allem den Trainer, der in Spielen gegen vermeintlich schwächere Gegner immer wieder durchrotierte, seine B-Elf aufstellte und wiederholt damit scheiterte.

Andreas Sten-Ziemons
Andreas Sten-Ziemons

Einziger "Lebensanker" für Zidane war in der zweiten Saisonhälfte die Champions League, die er in den vergangenen beiden Jahren mit Real gewonnen hatte. Zum ersten Mal, seit der Europapokal der Landesmeister 1992 umgetauft worden war, hatte überhaupt ein Team den Titel verteidigen können. Nun wurde vor jeder K.o.-Runde spekuliert, ob Zidane sofort gefeuert würde, sollte auch in der Königsklasse das vorzeitige Aus für Real kommen. Es kam nicht, stattdessen folgte Titel Nummer drei - wenn auch mit einigem Glück im Viertelfinale gegen Juventus, im Halbfinale gegen den FC Bayern und dank der peinlichen Patzer von Liverpools Torhüter Loris Karius im Finale. Zizou hatte es erneut geschafft, wie so oft in seiner Karriere war er der strahlende Sieger.

Bescheiden und charakterstark

Ob er am vergangenen Samstag in Kiew bereits wusste, dass dies sein letzter Auftritt als Real-Trainer war? Möglicherweise! Definitiv aber wird in Zidane in den vergangenen Tagen die Erkenntnis gereift sein, dass der gerade errungene Erfolg nur sehr schwer zu wiederholen oder zu toppen sein wird. Wer als doppelter Champions-League-Sieger ständig angezählt wird, wenn es mal nicht läuft, der ist bei einem Klub wie Real Madrid auch als dreifacher Königsklassen-Gewinner nicht davor gefeit.

Zidane zog die Konsequenzen und trat ab. Auf dem absoluten Höhepunkt, sauber und offen, ohne negative Gefühle bei Klub oder Mannschaft - abgesehen davon, dass viele Real-Stars traurig sein werden, nicht mehr unter Zidane zu arbeiten.

Mit seinem Rücktritt als Trainer von Real Madrid hat Zidane das geschafft, was viele herausragende Sportler nicht hinbekommen, weil sie an ihrem Amt kleben oder denken, unverzichtbar zu sein. Solche Eitelkeiten waren dem in einem Armenviertel von Marseille geborenen Zidane aber stets fremd. Er hat einmal mehr gezeigt, aus welchem Holz er geschnitzt ist und welch einwandfreien Charakter er besitzt. Respekt!

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