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Politik

Fragen an Dr. Merkel

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Jens Thurau
6. Juni 2018

Die Kanzlerin hat sich erstmals den Fragen der Abgeordneten des Bundestages gestellt. Und seelenruhig, routiniert und faktensicher geantwortet. Warum nur hat sie sich so lange dagegen gesträubt?, fragt sich Jens Thurau.

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Deutschland, Berlin:  Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beantwortet erstmals im Rahmen einer Fragestunde die Fragen der Abgeordneten
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Irgendwann vor einiger Zeit soll Angela Merkel in der Unionsfraktion des Bundestages dann doch ihren Segen zu dieser Idee gegeben haben. "Wenn es denn sein muss, dann machen wir auch das", soll sie gesagt haben. Viele Parlamentarier aller Fraktionen wollten schon lange, dass die dröge Befragung der Regierung durch die Volksvertreter, immer mittwochs in jeder Sitzungswoche, durch ein richtiges Showdown mit der leibhaftigen Regierungschefin ergänzt wird. Jedenfalls dreimal im Jahr. Denn bisher hatten jahrelang lediglich Staatssekretäre aus den Ministerien zu komplizierten Themen Rede und Antwort gestanden. Schön und wichtig für die Fachpolitiker, wenig unterhaltsam fürs allgemeine Publikum.

Aber bei Auslandsbesuchen hatten die Bundestagsabgeordneten etwa in Großbritannien und Spanien selbst erleben können, wie lebendig die Befragungen der Regierungschefs sein können. Und jetzt, nach der Premiere in Deutschland, kann man sagen: Sie hatten Recht, es hat sich gelohnt.

Abprallende AfD-Attacken

Eben auch für Angela Merkel. Warum nur hatte die Kanzlerin so eine Scheu vor dieser Befragung? Faktensicher und ohne jede Regung antwortete sie auf Fragen zum Verhältnis zu Russland, zu Donald Trump, zu China, zum Skandal um das Bundesamt für Flüchtlinge. Und natürlich, das ist ja mittlerweile Brauch im Bundestag, schäumten und provozierten die Rechtspopulisten von der "Alternative für Deutschland", was das Zeug hält. Merkel habe eine Migrantenflut ausgelöst, Milliarden vernichtet, wann trete sie denn zurück? Es zählt zweifellos zu den großen Tugenden der Kanzlerin, selten die Nerven zu verlieren, auch jetzt tat sie das nicht. Stattdessen nutzte sie die Gelegenheit, sich bei den vielen tausend Mitarbeitern des Bundesamtes für Migration zu bedanken. So macht man das, wenn man den politischen Gegner auflaufen lassen will. Und: Die Kanzlerin nutzte die Befragung zu einigen unmissverständlichen Klarstellungen. Will sie Russland nicht wieder aufnehmen in den Kreis der großen Industriesaaten, also aus G7 wieder G8 machen? Auf keinen Fall, denn "die Annexion der Krim ist ein flagranter Bruch des Völkerrechts gewesen." Deshalb sei der Ausschluss Russlands aus der Gruppe richtig. Punkt.

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Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Gut für Merkel war aber auch, dass ihr Koalitionspartner, die SPD, der Versuchung widerstand, die durchaus bestehenden Spannungen im Regierungsbündnis in der Merkel-Befragung weiter aufzuladen. Von den Sozialdemokraten kamen höfliche Sachfragen, hier und da hätte man sich etwas mehr Biss gewünscht, etwa bei der Frage, wie viel Mitverantwortung Merkel für die schlimmen Zustände im Bundesamt für Migration trägt, was sie sicher tut. Aber die Frage kam nicht.

Fazit: Wenn Merkel je Angst hatte vor dieser Art der Befragung, vor dem "Grillen", wie einige Schlagzeilen behaupteten, dann war sie unbegründet. Wenn das immer so läuft, kommt Merkel sicher gern wieder. Und ganz am Ende gab sie dann auch noch eine Kostprobe für ihren berühmten trockenen Humor, den sonst nur Insider erleben dürfen. "So schade wie es ist, es ist halt zu Ende. Ich komm ja wieder", rief sie in den Saal. Na dann....

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