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Europäisches Zuckerbrot, amerikanische Peitsche

Christoph Hasselbach6. Juni 2014

In der Ukraine-Krise will der Westen zusammenstehen. Doch die gemeinsame Haltung gegenüber Russland ist gerade zu einem Zeitpunkt bedroht, wo sie offenbar positive Wirkung zeigt, meint Christoph Hasselbach.

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Deutsche Welle Christoph Hasselbach
Bild: DW/P. Henriksen

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in Brüssel den bisherigen Zusammenhalt der G7 in der Ukraine-Krise gelobt. Doch dieser Zusammenhalt droht zu zerbrechen. Der Riss verläuft einmal durch den Atlantik zwischen Europa und Amerika. Er klafft aber auch innerhalb Europas. Frühere Ostblockstaaten haben Angst, sie könnten das nächste Opfer sein. US-Präsident Obama hat sich diese Woche in Polen zu ihrem Anwalt gemacht und ihnen Schutz versprochen.

Viele Menschen im Osten haben den Verdacht, Westeuropa seien stattdessen die Geschäfte mit Russland wichtiger: Während die Amerikaner Soldaten schicken, wollen die Franzosen umgekehrt Kriegsschiffe an Russland verkaufen; während Washington schärfere Sanktionen fordert, hat ein ehemaliger deutscher Kanzler Geburtstag mit Putin gefeiert. Viele Polen, Esten oder Letten fragen sich, auf wen sie sich eigentlich verlassen können, wenn es hart auf hart kommt. Die Begründung, die Putin zum Einmarsch auf der Krim angeführt hat, nämlich russischsprachigen Landsleuten zur Hilfe zu eilen, so abwegig sie ist, könnte er genauso im Baltikum heranziehen. Und die NATO wäre im Moment keineswegs in der Lage, eine russische Invasion beispielsweise in Estland zu verhindern. Man muss diese Sicht der Dinge nicht teilen, berücksichtigen sollte man sie unter dem Gesichtspunkt des Zusammenhalts schon.

Offene Hintertürchen

Besonders sichtbar wird der Gegensatz jetzt in der Sanktionsfrage. Die dritte, die wirklich schmerzhafte Sanktionsstufe, die ganze Wirtschaftsbranchen treffen könnte, ist noch nicht gezündet. Wenn es nach Merkel, Hollande und Cameron geht, wird sie es wohl nie. Obama zeigt sich da härter. Er hat allerdings auch gut reden: Während Westeuropa einen großen Teil seiner Energieimporte aus Russland bezieht, ist Amerika davon so gut wie unabhängig.

In Brüssel wurde immer wieder die Frage gestellt, wann die Bedingungen für die dritte Stufe gegeben sind. Eine klare Antwort blieb aus. Ein russischer Einmarsch in der Ost-Ukraine müsste sicher Wirtschaftssanktionen zwingend nach sich ziehen, da gäbe es nichts mehr zu interpretieren. Offiziell hat die G7 formuliert, der Sanktionsgrund sei gegeben, wenn Russland die Lage in der Ost-Ukraine weiter destabilisiert. Doch das kann man unterschiedlich auslegen. Es könne keinen Automatismus hin zu weiteren Sanktionen geben, sagt Merkel, die G7-Partner müssten sich vorher abstimmen. Die Hintertürchen bleiben also offen.

Russland wird die Krim behalten

Eigentlich wäre die Annexion der Krim bereits Grund genug für scharfe Maßnahmen. Obama sagte nun in Warschau: "Wir werden diese Annexion niemals akzeptieren." Seine europäischen Partner schweigen sich dazu aus. Dabei weiß auch Obama, dass Putin die Krim nicht wieder herausgeben wird. An dieser Stelle braucht er weitere Sanktionen wohl nicht zu fürchten. Eine andere Frage ist, unter welchen Umständen aus der G7 wieder die G8 werden kann. Hier ist im Moment kaum vorstellbar, wie Russland dem Club wieder beitreten kann. Denn wenn die westlichen Regierungen Russland wegen dieses schweren Völkerrechtsbruchs aus der G8 ausschließen, können sie das Land kaum wieder aufnehmen, ohne dass es den Grund des Rauswurfs rückgängig macht.

Putin an seinen Taten messen

Das Entscheidende ist aber nicht die Wiederherstellung der G8, sondern die Stabilisierung der Ukraine und das Ende der Konfrontation. Manches spricht dafür, dass bereits die bestehenden Sanktionen Russland genug schaden, um es von weiteren Abenteuern abzuhalten, und dass auch der G8-Ausschluss Moskau gehörig wurmt. Putin wäre inzwischen bereit, sowohl Obama als auch den frischgewählten ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko bei den D-Day-Feiern in Frankreich zu treffen. Das wäre ein wichtiges Symbol.

Die westlichen Regierungen sollten Putin aber vor allem an seinen Taten messen und sehen, wie er sich zur Ukraine verhält. In der Normandie wird Gelegenheit sein, dass Merkel, Hollande und Cameron Putin noch einmal das gemeinsame Interesse an einer Entspannung vor Augen führen, ihm aber gleichzeitig sagen, dass er andernfalls mit weiteren Konsequenzen rechnen muss. Obama wiederum mag die europäischen G7-Mitglieder zu nachgiebig gegenüber Russland finden, er sollte den Zusammenhalt des Westens aber nicht überstrapazieren.