1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Es gibt keine Große Koalition mehr

Chase Jefferson Kommentarbild App
Jefferson Chase
3. August 2018

Union und SPD bleiben Regierungspartner, aber wie Umfragen zeigen, ist der Begriff GroKo ein Auslaufmodell. Es ist eine Frage der Zeit, bis die Vorherrschaft der Volksparteien durchbrochen wird, meint Jefferson Chase.

https://p.dw.com/p/32aou
Deutschland Koalitionsgipfel im Kanzleramt
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Groß ist was anderes. Die von Anfang an schon bescheidene parlamentarische Mehrheit der Merkel-IV-Regierung ist laut Meinungsforschern verschwunden. Zusammen kommen die beiden traditionell mächtigsten Parteien beim letzten Deutschlandtrend auf mickrige 47 Prozent. 29 Prozent für die CDU/CSU und lediglich 18 Prozent für die SPD. Die Unterstützung für die sogenannten Volksparteien schmilzt so schnell wie das Polareis.

Die Grünen liegen jetzt nur noch drei Prozent hinter den Sozialdemokraten, die AfD sogar ein einziges Prozentpünktchen. Bye-bye, Volkspartei. Die Konservativen stehen zwar etwas besser da, aber Ihre Formkurve zeigt auch dramatisch nach unten. Hinzu kommt die Abhängigkeit der CDU von der Kanzlerin. Eines Tages, wenn Angela Merkel nicht mehr da ist, könnte sie ähnlich tief fallen wie ihr jetziger Koalitionspartner SPD.

In der Klimaforschung spricht man von "tipping points", Umschlagsmomenten, wenn stabil geglaubte Zustände plötzlich kippen und nichts mehr wie früher ist. So etwas erleben wir momentan in der Politik. Die Tage, als Union und SPD mit einem kleineren Wunschpartner Regierungen bilden konnten, sind längst vorbei. Die frühere Ausnahmesituation ist zur neuen Norm geworden.

Chase Jefferson Kommentarbild App

Die Sozialdemokraten mussten als Erste daran glauben. Seit der Bundestagswahl 2005 und der Etablierung der PDS und später der Linkspartei ist das linke politische Spektrum zersplittert, die SPD ohne realistische Chance auf eine von ihr geführte parlamentarische Mehrheit. Ähnliches passiert der Union jetzt im rechten Lager mit der AfD und zum Teil mit der FDP, die in einigen Punkten sogar konservativer als Merkels CDU geworden ist.

Versuchen Union und Sozialdemokraten aber, sich in Richtung Mitte zu bewegen, desto mehr gehen ideologisch konsequente Wähler links wie rechts verloren. So wird aus einer GroKo eine KleiKo – und möglicherweise bald sogar eine NoKo. Es ist ein Teufelskreis. Der Weg aus der Spirale zeigte nach Jamaika, aber auf die Reise wollte der FDP-Vorsitzende Christian Lindner nicht mit. Zum dauerhaften Nachteil der Bundesrepublik? Das wird sich zeigen, auf jeden Fall bewies der Chefliberale ein Gespür für einen großen Trend im gegenwärtigen Deutschland. Kompromissbereitschaft wird im Moment nicht sonderlich belohnt.

Und nun? Das Gute an Trends und Teufelskreisen ist, dass die meisten irgendwann vorbei sind. Über kurz oder lang wird Deutschland eine andere Art von Koalition bekommen, wahrscheinlich den ersten Zusammenschluss in der bundesdeutschen Historie aus drei parlamentarischen Gruppen. Gut vorstellbar, dass die Union und die Sozialdemokraten sich dann in der Gunst der Wähler erholen. Dennoch sind Werte um die 40 Prozent sowohl rechts als auch links undenkbar geworden. Große Koalitionen wird man nur noch in den Geschichtsbüchern finden.

Sie können unterhalb dieses Artikels einen themenbezogenen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!