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Ein kleines Werder-Wunder, mehr nicht

27. Juni 2020

Nur mit Schützenhilfe rettet sich Werder Bremen in die Relegation. Will der Verein sein Schicksal wieder selbst in der Hand haben, muss er sich weiterentwickeln, meint Stefan Nestler.

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Deutschland Bundesliga Werder Bremen gegen 1. FC Köln | Tor Sargent
Bild: Getty Images/O. Hardt

Das Wasser der Weser muss ein Zaubertrank sein. Anders ist kaum zu erklären, dass Werder Bremen am letzten Spieltag der Bundesliga-Saison doch noch den Kopf aus der Schlinge gezogen hat. Alles schien auf den zweiten Abstieg der Vereinsgeschichte nach 1980 hinauszulaufen: Zwei Punkte lag Werder vor dem Finale der Spielzeit hinter dem Tabellen-16. Fortuna Düsseldorf, der auch noch das klar bessere Torverhältnis hatte. Noch vor Wochenfrist, nach der Niederlage in Mainz, hatte der 37 Jahre junge Bremer Trainer Florian Kohfeldt erklärt, er fühle sich leer. Dann die wundersame Wandlung: Am vergangenen Sonntag habe er sich geschüttelt, und am Montag sei die Hoffnung wieder zurückgekehrt, sagte Kohfeldt.

Volle Konzentration, starke Nerven

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler, DW Sport

Und seiner Mannschaft gelang, mit Schützenhilfe, das kleine Wunder. Mit einem 6:1-Kantersieg gegen den 1. FC Köln verdrängte Werder den Konkurrenten Düsseldorf noch vom Relegationsplatz - weil der Fortuna an diesem Samstag beim 0:3 bei Union Berlin alles das fehlte, was in Bremen vorhanden war: hundertprozentiger Einsatz, volle Konzentration, starke Nerven, die nötige Portion Glück und ein unmotivierter Gegner. Gerettet ist Werder damit noch nicht. Nur wenn sich die Bremer in der Relegation gegen den 1. FC Heidenheim durchsetzen, wird es auch in der nächsten Saison an der Weser Bundesliga-Fußball geben.

Erster Heimsieg seit 300 Tagen

"Ein 'Weiter so!' darf es nicht geben", hatte Werder-Aufsichtsratschef Marco Bode schon vor dem Anpfiff angemerkt, und das völlig zu Recht. Denn die Saison 2019/2020 war aus Bremer Sicht eine einzige Enttäuschung. In der Spielzeit davor hatte Kohfeldts Team nur knapp die Europa League verpasst und war erst im Halbfinale des DFB-Pokals unglücklich gegen den FC Bayern ausgeschieden. Die Fans an der Weser hofften auf mehr und wurden ernüchtert. Die Abwehr war wackelig und kassierte deshalb jede Menge Gegentreffer, in der Offensive konnte Werder den Weggang von Max Kruse nicht kompensieren. Der Erfolg gegen Köln war der erste Bundesliga-Heimsieg der Bremer seit genau 300 Tagen. Das sagt eigentlich alles.

Das kleine gallische Dorf

1. Bundesliga |1. FSV Mainz 05 - Werder Bremen - Florian Kohfeldt
Kohfeldt die Treue gehaltenBild: picture-alliance/Eibner-Pressefot /A. Neis

Dass die Werder-Klubspitze an Trainer Kohfeldt festhielt und ihn nicht, den Gepflogenheiten der Branche folgend, in die Wüste schickte, passt irgendwie zu dem Verein. Er wirkt wie aus der Zeit gefallen, wie das kleine gallische Dorf in den Asterix-Comics. Das macht ihn auf der einen Seite sympathisch - gerade in Corona-Zeiten, in denen sich viele Fans nach dem Fußball zurücksehnen, in dem Geld nicht alles war und Vereine noch Tradition und Seele hatten. Auf der anderen Seite aber steht die Tatsache, dass die glorreichen Zeiten der Bremer, in der sie Titel holten und zur Crème de la Crème der Bundesliga zählten, schon lange zurückliegen. Werder muss sich jetzt hinterfragen und weiterentwickeln, will der Verein sein sportliches Schicksal wieder selbst bestimmen, ohne auf Schützenhilfe angewiesen zu sein. Erst aber muss Werder Bremen die Relegation überstehen. Irgendwie.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter