1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ein Clinton-Klassiker

Soric Miodrag Kommentarbild App
Miodrag Soric
13. September 2016

Hillary Clinton hat aus einem medizinischen Problem ein politisches gemacht. Echte oder vermeintliche Schwächen zu verheimlichen, ist typisch für sie - genau wie für Bill Clinton, meint Miodrag Soric.

https://p.dw.com/p/1K1X4
Hillary Clinton bei der 11. September Gedenkfeier (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/B.Smialkowski

Sie hätte es sich so einfach machen können: Nachdem der Arzt ihr am letzten Freitag die Diagnose Lungenentzündung mitgeteilt hat, tritt sie - gleich vor der Arztpraxis - vor die Presse und erklärt: "Ich habe eine Erkältung verschleppt und muss mich jetzt schonen, setze den Wahlkampf ein paar Tage aus." Verschmitzt hätte sie ihrem Konkurrenten Donald Trump zugerufen: "Nutzen Sie die Zeit, denn schon bald werde ich Ihnen in den Umfragen wieder davonziehen." Hillary Clinton hätte Tausende von Emails und Hunderte von Blumensträußen erhalten von Wählern, die ihr "Gute Besserung" wünschen. Sie hätte eine menschliche Seite gezeigt, etwas, womit sich der Normalbürger identifizieren kann. Sie würde mit diesem offenen und transparenten Handeln an Glaubwürdigkeit gewinnen.

Aber nein, es kam wie immer. Clinton wollte die Krankheit "durchpowern", wie sie jetzt sagt. Sie hörte nicht auf ihren Arzt, schonte sich nicht. Und erlitt am vergangenen Sonntag in New York einen Schwächeanfall. Ein Video, das zeigt, wie sie einsackt, wird Millionen Mal aufgerufen, auf allen Nachrichtenkanälen gezeigt. Da von ihrer Krankheit niemand etwas wusste, kam ihr Umfallen für alle überraschend. Seitdem geben sich in den Studios der amerikanischen Sender Fernseh-Doktoren die Klinke in die Hand, erteilen Ferndiagnosen. Analytiker reflektieren über mögliche Folgen für den Präsidentschaftswahlkampf. Wie angeschlagen ist Hillary?

Schwächen verheimlichen, so lange es irgendwie geht

Sie machte aus einem medizinischen Problem ein politisches. Was wir erleben, ist ein Clinton-Klassiker.

Die Clintons - und das gilt für Hillary und Bill Clinton gleichermaßen - verschleiern, verheimlichen echte oder vermeintliche Schwächen so lange es irgendwie geht. Zugegeben wird erst, wenn es nicht länger verdeckt werden kann. Eingestanden wird, wenn überhaupt, so wenig wie möglich. Das gilt für die sogenannte Bengasi-Affäre: Das US-Konsulat war unzureichend geschützt und die Angriffe alles andere als spontan, wie sie behauptete. Das gilt für die E-Mail-Affäre: Als Außenministerin hat sie entgegen aller Vorschriften für ihre dienstlichen Emails einen privaten Server verwendet. Das gilt für Reden, die sie etwa vor Goldman-Sachs gehalten hat - für erstaunlich viel Geld; die Veröffentlichung der Reden verweigert sie bis heute. Das gilt für die Clinton-Stiftung, bei der offenbar dienstliche und private Interessen vermischt wurden. Die Liste ließe sich fortsetzten.

Hillary Clintons Glaubwürdigkeitsproblem

Dahinter steckt ein tief sitzendes Misstrauen gegenüber der Presse und Öffentlichkeit, um deren Vertrauen Hillary im Wahlkampf wirbt. Dahinter steckt auch eine jahrzehntelange Erfahrung, wie sie und ihr Ehemann niedergeschrieben wurden von Journalisten, etwa nach den Sex- oder Steuerskandalen von Bill Clinton.

Am Ende erklärt sich so auch, weshalb Hillary Clinton ein Glaubwürdigkeitsproblem hat. Eines, welches über viele Jahre entstanden ist und sich nicht von heute auf morgen auflösen wird.

Wird das alles am Ende wahlentscheidend sein? Das hängt davon ab, ob Hillary aus den Fehlern der Vergangenheit lernt; ob sie tatsächlich bald wieder auf den Beinen ist und Wahlkampfreden hält; wie sie bei den bevorstehenden Debatten mit Donald Trump abschneidet.

Wenn - aus ihrer Sicht - alles gut läuft, dürfte ihr Schwächeanfall bald vergessen werden. Wenn nicht, könnte dieser Fehler einer zu viel gewesen sein.

Sie können unterhalb dieses Artikels einen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!