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Kommentar: EU-Ukraine

Christoph Hasselbach15. Dezember 2013

Die EU hat die Zusammenarbeit mit Janukowitsch über ein Assoziationsabkommen auf Eis gelegt. Die Entscheidung kommt reichlich spät, findet Christoph Hasselbach, aber sie ist richtig.

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Porträt Christoph Hasselbach DW Studio Brüssel
Bild: DW

Was hat die EU nicht alles für Präsident Janukowitsch getan! Bis zur Selbstverleugnung ist sie ihm nachgelaufen, er konnte sie abweisen und provozieren - soviel er wollte. Immer wieder sah man in Brüssel doch wieder ein Hoffnungszeichen, dass er das lange geplante Assoziationsabkommen unterzeichnen würde, das sein Land näher an das europäische Projekt heranführen soll. Und an diesen Hoffnungszeichen hat es Janukowitsch nicht fehlen lassen. Das war nicht Folge einer Unschlüssigkeit, sondern Berechnung. Wohldosiert und in regelmäßigen Abständen hat er seine zweideutigen Signale ausgesandt.

Janukowitsch wollte feilschen

Im November hatte er die EU zuerst mit der Ankündigung brüskiert, sein Land stoppe die Vorbereitungsarbeiten zu dem Abkommen, das nach monatelangen Vorbereitungen endlich unterschriftsreif war. Stattdessen wollte er sich Moskau zuwenden. Nur wenige Tage später reiste er trotzdem nach Vilnius zum EU-Gipfel mit den Ländern der Ost-Partnerschaft, wo das Abkommen unterzeichnet werden sollte. Dort sagte er den versammelten Staats- und Regierungschefs, er strebe das Abkommen weiterhin an, die EU müsse ihm nur finanziell weiter entgegenkommen. Denn Moskau setze ihn unter Druck; bei einer Anbindung an den Westen entgehe der Ukraine so viel Handel mit Russland, das müsse die EU dem Land finanziell ausgleichen. Der Hinweis auf russischen Druck stimmte zwar. Doch Janukowitsch selbst war der Erpresser.

Die EU hat das Spiel lange mitgespielt

Das Spiel hat er lange genug gespielt. Und es gelang nur, weil die EU sich darauf einließ. Selbst als Janukowitsch die Sicherheitskräfte in Kiew gegen Demonstranten aufmarschieren ließ, nur Stunden, nachdem er mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton gesprochen hatte und während sie noch in der Stadt war – selbst nach dieser Provokation ging Ashton noch auf ihn ein. Nach ihrer Rückkehr aus Kiew verkündete sie, Janukowitsch "habe vor" zu unterschreiben. Ihr Auftritt war geradezu peinlich. Jetzt also der endlich Schwenk. Die EU ergreift die Initiative und schlägt Janukowitsch die Tür zu, die sie bis dahin trotz aller Brüskierungen offen gehalten hatte.

Die Absage gilt dem Präsidenten, nicht dem Land

Man darf davon ausgehen, dass der Entscheidung, die Zusammenarbeit auszusetzen, heftige Auseinandersetzungen innerhalb der Kommission vorausgegangen sind. Die einen dürften argumentiert haben, darunter vermutlich Ashton, es liege im beiderseitigen Interesse, weiter mit Janukowitsch zu verhandeln. Die Gegenseite wird gesagt haben, er versuche nur, Moskau und Brüssel gegeneinander auszuspielen, um möglichst viel Unterstützung für sein finanziell und wirtschaftlich darniederliegendes Land herauszuholen. Diese Seite hat sich nun offensichtlich durchgesetzt. Und das zurecht. Das Feilschen hat damit ein Ende.

Dabei ist das Ringen um den richtigen Umgang mit der Ukraine durchaus verständlich. Denn die EU will ja nicht den Dialog mit dem Land insgesamt abbrechen. Die Massendemonstrationen haben gezeigt, wie stark die Sehnsucht nach Westanbindung ist. Ganz wichtig ist: Die Absage gilt nicht dem Land, sie gilt der Person Viktor Janukowitsch. Mit ihm kann die EU nicht mehr ins Gespräch kommen. Mit anderen schon. Doch er ist der Präsident. Mit der Opposition kann man keine zwischenstaatlichen Verhandlungen führen. So bleibt der EU im Moment tatsächlich nichts anderes übrig, als abzuwarten, wie sich die innenpolitische Situation in der Ukraine weiter entwickelt, und die Anliegen der Opposition zu unterstützen. Selbstverständlich kann auch der EU nicht daran gelegen sein, dass die Lage außer Kontrolle gerät. Die EU kann sich zwar für die Opposition, die für einen europafreundlichen Kurs steht, einsetzen, aber sie muss unbedingt darauf dringen, dass der Protest friedlich bleibt und auf Provokationen verzichtet. Und so schwer der Gedanke möglicherweise zu akzeptieren ist: Vielleicht kommt die Gelegenheit, über ein Assoziierungsabkommen wieder ernsthaft zu verhandeln, erst nach der nächsten Präsidentschaftswahl 2015, vielleicht selbst dann noch nicht.

Nur die EU bietet dem Land eine echte Perspektive

Aber es könnte auch etwas anderes eintreten: Die EU bietet Janukowitsch und seinem Land eindeutig die beste Perspektive. Russland dagegen kann seine angekündigten Vergünstigungen jederzeit wieder kassieren. Es hat auch im Gasstreit mehrfach bewiesen, wie rücksichtslos es selbst mit angeblich "kulturell verwandten" Ländern umspringt, wenn die nicht spuren. Es wäre also möglich, dass Janukowitsch schließlich umdenkt. Macht er dann glaubhaft, dass er sein Land doch Richtung Europa führen will, sollte die EU die Tür wieder öffnen. Vorher allerdings nicht.