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Die Olympia-Latte für Mailand liegt hoch

24. Juni 2019

Mailand setzt sich bei der IOC-Wahl gegen Stockholm durch. Der Ausrichter der Winterspiele 2026 ist nicht unbedingt zu beneiden, meint Stefan Nestler. Das IOC zahlt jetzt die Zeche für den Gigantismus früherer Jahre.

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IOC Vergabe Olympische Winterspiele 2026
Bild: Reuters/D. Balibouse

Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch, Mailand! Zum ersten Mal richtet die Metropole im Norden Italiens Olympische Winterspiele aus. Wobei Mailand vor allem seinen klangvollen Namen gibt. Die weitaus meisten Entscheidungen fallen in jenen Wintersportorten, die man aus den verschiedenen Weltcups kennt: Cortina d'Ampezzo, Bormio, Val di Fiemme. Cortina erlebt dabei ein Déjà Vu: 1956 war der Wintersportort alleiniger Olympia-Ausrichter.

Olympia-Hopping kaum möglich

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Es werden keine Spiele der kurzen Wege, meint DW-Redakteur Stefan Nestler

Die Spiele von Mailand werden keine der kurzen Wege sein: Kaum ein Einwohner der Metropole wird spontan zu den weiter nördlich gelegenen Wintersportorten aufbrechen, um olympische Luft zu schnuppern. Nach Cortina fährt man mit dem Auto rund viereinhalb Stunden, ins Val di Fiemme gut dreieinhalb, nach Bormio drei Stunden. Und auch Cortina und Bormio trennen rund viereinhalb Stunden Autofahrt voneinander. "Olympia-Hopping" macht da wenig Sinn, ein Mailand-Olympia-Gefühl dürfte also kaum aufkommen. Dabei hätten die Italienerinnen und Italiener dies eigentlich verdient. Laut IOC-Umfrage stehen schließlich 83 Prozent von ihnen hinter den Spielen - was letztlich wohl auch den Ausschlag zugunsten Mailands gegeben haben dürfte. Die Zustimmung der Bevölkerung Schwedens für Spiele in Stockholm lag nur bei 55 Prozent.

Nachhaltiger, weniger teuer

Dabei hat sich das Internationale Olympische Komitee durchaus bewegt. Alle Interessenten wurden dabei beraten, Olympia-Konzepte zu erarbeiten und sie mit Leben zu füllen. Das IOC distanzierte sich zudem vom - nebenbei bemerkt, selbst verschuldeten - Gigantismus vergangener Winterspiele und setzt inzwischen mehr auf Nachhaltigkeit: 80 Prozent der olympischen Sportstätten in Norditalien existieren entweder schon oder können, wenn sie gebaut werden müssen, anschließend auch wieder entfernt werden. Das geplante Budget Mailands liegt mit rund 1,3 Milliarden Euro um 75 Prozent unter dem Olympia-Haushalt von Peking 2022. Beides hätte übrigens auch für den unterlegenen Kandidaten Stockholm gegolten.

Kaum noch vermittelbar

Dass dennoch - wie auch schon bei der letzten Entscheidung, als Peking und Almaty um die Spiele 2022 buhlten - am Ende wieder nur zwei Kandidaten übrig blieben, wirft eine grundsätzliche Frage auf: Sind Olympische Winterspiele noch zeitgemäß? Fast alle anderen Interessenten sprangen vorzeitig ab, nachdem die jeweilige Bevölkerung signalisiert hatte, dass sie keine Winterspiele am Ort wollte. Selbst wenn sie noch zeitgemäß sein sollten, sind Olympische Winterspiele offenkundig kaum noch vermittelbar. Das IOC zahlt jetzt die Zeche für den Gigantismus früherer Spiele - unabhängig davon, dass Thomas Bach und Co. schon längst die Abkehr davon propagieren. Dringend nötig wären begeisternde Winterspiele wie 1994 in Lillehammer in Norwegen, als der olympische Funke auch auf weniger wintersportaffine Menschen übersprang. Bei den nächsten Spielen in Peking ist dies kaum zu erwarten. Umso höher liegt dann die Latte für Mailand. Na dann, herzlichen Glückwunsch!

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter