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Politik

Der Kirche läuft die Zeit davon

5. März 2020

Die deutschen Bischöfe ringen um Entscheidungen in Grundfragen. Zusammenbleiben ist das Kriterium. Perspektivisch ist das zu wenig, denn das Kirchenvolk ist nicht mehr geduldig, meint Christoph Strack.

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Frühjahrs-Vollversammlung Deutsche Bischofskonferenz
Eröffnungsgottesdienst der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im Dom zu MainzBild: Imago Images/Ulmer

Eins machte Bischof Bätzing, der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, zum Abschluss ihrer Frühjahrsvollversammlung in Mainz deutlich: "Die Kirche ist eine Familie. Und in der Familie hat man sich nicht gesucht, sondern ist zusammen konstelliert worden. Das ist kein Freundesclub - weder die Bischofskonferenz noch die katholische Kirche noch die Welt, in der wir leben. Es ist eher Familie. Man hat Geschwister. Meine beste Erfahrung ist immer: Mit ihnen Auskommen suchen. Das braucht auch Mühe."

Zusammenbleiben, darum geht es. Es ist ja kein Zufall, dass Bischöfe ihre Amtskollegen stets "Mitbrüder" nennen. Da fällt eine Verständigung über gemeinsame Ziele, einen einheitlichen Kurs durchaus schwer. Wie eben auch in vielen Familien. Das zeigte sich bei zwei Themen, die in der öffentlichen Wahrnehmung der Bischofskonferenz und ihres Treffens in Mainz dominieren.

Die Frauenfrage

Da ist zum einen die Frage, wie die so männlich geprägte katholische Kirche mit den Frauen umgeht. Mehr als 131.000 Unterschriften überreichten die großen katholischen Frauenverbände vor Beginn des Treffens den Spitzen von Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Mit der nun schon beständigen Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche.

Deutsche Welle Strack Christoph Portrait
DW-Kirchenexperte Christoph StrackBild: DW/B. Geilert

Bei den Gottesdiensten während der Vollversammlung trugen in Mainz meist Frauen den Lesungstext vor, mit heller Stimme sangen sie den Gesang vor dem Evangelium. Das ist es dann. Bisher. Aber die erstmalige Benennung einer weiblichen Sekretärin der Bischofskonferenz, über die im Vorfeld spekuliert wurde und für die schon Namen kursieren, blieb aus. Längstens bis zum Jahresende bleibt der Amtsinhaber, ein Jesuit, noch im Amt. Mal sehen.

Was es bedeuten würde, falls erstmals eine Frau zur Sekretärin der Bischofskonferenz gewählt würde? "Es gibt eigentlich gar keinen Ausweg. Es muss eine Frau werden", sagt Mechthild Heil, Vorsitzende des größten Frauenverbandes in Deutschland, der Katholischen Frauen-Bewegung.

Aber es geht um mehr. Um Frauen als Priesterinnen - da verwiesen mehrere Bischöfe in Mainz auf die römische Entscheidung. Diese Frage sei "nicht offen". Um Frauen als Diakoninnen - die Haltung der deutschen Bischöfe dazu ist gespalten. Vorerst bleibt vor ihrer gemeinsamen Präferenz das Votum des "Synodalen Wegs" abzuwarten, der noch bis Ende 2021 berät. Aber man muss sich nichts vormachen: Die Forderung nach Diakoninnen steht schon seit Jahrzehnten im Raum. Und die Entscheidung wird seit Jahrzehnten verschoben.

Entschädigung für Missbrauchsopfer

Zum anderen steht seit langem schon die Frage der Leistungen für Opfer sexuellen Missbrauchs durch Kirchenleute im Blick. Und wieder gab es in Mainz lediglich "Grundsätze", die bis zum Herbst weiter ausgearbeitet werden sollen. Nun ist klar: Die Bischöfe sprechen nicht von "Entschädigungen", sondern von "materiellen Leistungen" und Schmerzensgeld.

Die von Opferseite erwartete Zahlung von 300.000 Euro für jeden Betroffenen steht nicht zur Debatte. Es geht um bis zu 50.000 Euro, in Einzelfällen mehr. Durchaus berechtigt sprechen die Bischöfe von einer Referenz-Fähigkeit beispielsweise im Bereich des Sports oder der evangelischen Kirche. Durchaus berechtigt verweisen die Opfer auf Erfahrungen von Täter-Strukturen in einem System, die deshalb mit individuellem Schmerzensgeld kaum abgedeckt seien. Und es gibt auf Opfer-Seite eben auch Lebensläufe, die ganz einfach völlig zerstört sind. Da ist klar: Zumindest in Einzelfällen sollten die Bischöfe individuelle Rentenkonzepte mittragen.

Die Frauenfrage, die "Entschädigung" für Opfer sexueller Gewalt durch Kleriker - es sind zwei Themen, die (siehe die 131.000 Unterschriften) sehr viele Katholikinnen und Katholiken umtreiben. In diesen Tagen ploppen aus verschiedenen Regionen Deutschlands die ersten Zahlen zu den Kirchenaustritten im Jahr 2019 auf. Da deutet sich zwar kein Allzeithoch an. Aber der Anstieg im Jahresvergleich ist rekordverdächtig. Entscheidet die Kirche nichts, so entscheiden die Schäfchen. Es herrscht Druck im Kessel. Und das Bischofstreffen in Mainz hat davon nichts genommen. Aber die Zeit läuft. Sie läuft sprichwörtlich davon.