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Politik

Netanjahus Eigentore

Peter Philipp Kommentarbild APP PROVISORISCH
Peter Philipp
3. April 2018

Das Schicksal Tausender afrikanischer Flüchtlinge in Israel bleibt weiter unklar. Aber mit seinen unabgestimmten Plänen hat sich der israelische Premier innen- wie außenpolitisch massiv geschadet, meint Peter Philipp.

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afrikanische Migranten in Israel protestieren gegen Abschiebung
Bild: picture-alliance/newscom

Ein "absurdes Theater", wie man es seit Jahren nicht erlebt habe - so urteilen israelische Oppositionskreise über den gescheiterten Versuch von Premier Netanjahu, die afrikanischen Flüchtlinge loszuwerden, deren Anwesenheit sich immer mehr zu einem innenpolitischen Streitthema entwickelt. 

In den vergangenen zwölf Jahren hat sich die Anzahl der Afrikaner in Israel auf über 40.000 erhöht. Die meisten von ihnen stammen aus Eritrea und dem Sudan und ihre Konzentration in armen Wohngegenden wie Süd-Tel-Aviv hat längst rechte politische Kreise mobilisiert, die heftig gegen die Anwesenheit der Afrikaner protestieren. Diese werden dabei oft als "Eindringlinge" bezeichnet, Ausdrücke wie "Migranten" oder "Flüchtlinge" sind hingegen seltener.

Der Auszug der Afrikaner als Geschenk zum Pessach-Fest

Benjamin Netanjahu hatte sich das offenbar ganz einfach gedacht: Zur selben Zeit, in der Israel mit dem jüdischen Pessach-Fest des Auszuges aus Ägypten gedenkt, wollte er seinen Kritikern den afrikanischen "Auszug aus Israel" bescheren. Absicht des Premiers war aber wohl auch, damit von den Ermittlungen gegen ihn wegen Korruptionsverdacht abzulenken und auch von der neuen Eskalation der Gewalt, die sich dieser Tage gegenüber dem Gazastreifen abspielt.

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Peter Philipp war mehr als 20 Jahre NahostkorrespondentBild: DW

Ein klares Konzept scheint er dabei nicht gehabt zu haben: Zunächst hieß es nämlich, Israel werde rund 42.000 - und damit praktisch alle - Afrikaner im Land "abschieben".  Freilich sollten sie nicht in ihre Heimatländer gebracht werden, sondern nach Ruanda - ein Staat, aus dem praktisch niemand der in Israel anwesenden Flüchtlinge stammt. Diese Tatsache muss auch in Ruanda Stirnrunzeln verursacht haben, verstärkt durch außenpolitischen Druck anderer Staaten, das Land solle Israel nicht bei der Ausweisung der Flüchtlinge helfen.

Da kam das UN-Flüchtlingshilfswerk gerade recht. Man war sich schnell einig, zumal Israel diesmal Bereitschaft zeigte, einen eigenen Anteil des Deals zu übernehmen: "Nur" 16.000 Afrikaner sollten Israel verlassen, die anderen aber in Israel ein offizielles Bleiberecht erhalten. Vom Ansatz her erneut eine "patente Idee". Wenn Netanjahu nicht gleich vollmundig erklärt hätte, die 16.000 würden in Kanada, Italien und Deutschland Aufnahme finden. Wenigstens die beiden Letztgenannten stecken seit Jahren in einer erbitterten Diskussion über die Aufnahme von Flüchtlingen. Die italienische Übergangsregierung in Rom dementierte direkt, ein Abkommen geschlossen zu haben und auch in Berlin hieß es, man wisse von nichts.

Verhängnisvolle Kette von Eigentoren

Netanjahu hat damit eine verhängnisvolle Kette von Eigentoren geschossen: Er ist zum einen nur noch tiefer in die innenpolitische Auseinandersetzung in Israel geraten und es häufen sich Rufe nach Neuwahlen. Diese aber könnte Netanjahu durchaus verlieren. Und zwar nicht gegen liberale, sondern noch radikalere Gegner, die zum Teil jetzt schon in der Regierung sitzen. Dies würde die außenpolitische Isolation Israels noch weiter verstärken als das bereits jetzt unter Netanjahu der Fall ist.

Zum anderen hat der Premier mit seinem "absurden Theater" der vergangenen Tage auch dem außenpolitischen Ruf seines Landes ganz grundsätzlich massiv geschadet - gegenüber Ruanda, gegenüber Italien, Kanada und Deutschland und nicht zuletzt auch gegenüber den Vereinten Nationen insgesamt: Nachdem Israel wegen seines Verhaltens gegenüber den Palästinensern dort ohnehin schon zunehmend kritisiert wird, dürften Netanjahus Manöver der vergangenen Tage jetzt noch mehr Ablehnung in der UNO auslösen.

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